Interview mit Malte Boecker über das Beethovenhaus "Das Thema ist unerschöpflich"

BONN · Malte Boecker spricht über die Pläne des Beethoven-Hauses für das Jubiläumsjahr 2020.

Beethoven als "globales Phänomen": Der Direktor des Beethoven-Hauses, Malte Boecker, will alle Facetten des Komponisten zeigen.

Beethoven als "globales Phänomen": Der Direktor des Beethoven-Hauses, Malte Boecker, will alle Facetten des Komponisten zeigen.

Foto: dpa

Im Jahr 2020 feiert die Musikwelt den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. In Bonn wurde der Komponist am 17. Dezember 1770 getauft. Zum Jubiläumsjahr modifiziert das jährlich von rund 100 000 Menschen besuchte Bonner Beethoven-Haus seine Ausstellung. Ulrike Hofsähs sprach mit Malte Boecker, Direktor des Bonner Museums, über seine Pläne für das Jubiläumsjahr und die neue Gestaltung des Beethoven-Hauses.

2020 wird der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven gefeiert. Was hat das Beethoven-Haus vor?
Malte Boecker: Man kann davon ausgehen, dass Beethoven im Jahr 2020 weltweit gefeiert wird. Wir haben mit dem Geburtshaus und der größten Beethoven-Sammlung eine besondere Verantwortung, da mitzuwirken. An allererster Stelle wollen wir unsere Ausstellung überarbeiten mit dem Anspruch, dass Beethoven 2020 in einer zeitgemäßen Form präsentiert und vermittelt wird. Die jetzige Ausstellung ist etwa 20 Jahre alt und vertraut stark auf die Ausstrahlung der Objekte aus unserer Sammlung, auf die Handschriften, Originalinstrumente oder Hörrohre.

Warum wollen Sie die Ausstellung verändern?
Boecker: Weil sich die Besuchererwartungen grundlegend gewandelt haben. Als die jetzige Dauerausstellung konzipiert wurde, besuchten überwiegend Musikinteressierte aus Deutschland das Haus. Die Beschilderung ist etwa nur auf Deutsch. Wir haben mittlerweile aber mehr Besucher aus dem Ausland als aus dem Inland. Ferner bringen viele Besucher ein anderes Vorwissen mit. Wir wollen stärker Rücksicht nehmen und nicht darauf vertrauen, dass die Objekte für sich selber sprechen. Vor wenigen Tagen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages dem Beethoven-Haus eine Anschubfinanzierung zugesagt über 1,5 Millionen Euro. Das eröffnet nun neue Gestaltungsspielräume.

Beethoven ist ja belegt mit Stereotypen....
Boecker: Das ist die große Gefahr! Man hat bei den vergangenen Jubiläen versucht, bestimmte Bilder zu vermitteln. 1870 wollte man Beethoven überhöhen. Der Aufbau eines Mythos im 19. Jahrhundert war ganz stark. 100 Jahre später, 1970, war es praktisch das Gegenteil, da haben ihn viele vom Sockel gestoßen. Heute haben wir es hingegen mit einem globalen Phänomen Beethoven zu tun. Wir treten nicht an, für ein bestimmtes Beethoven-Bild zu werben. Es wird darum gehen, die verschiedensten Facetten aufzuarbeiten.

Sind Leben und Werk nicht nach fast 250 Jahren auserzählt?
Boecker: Das Thema Beethoven ist unerschöpflich. Es gibt noch viele, viele offene Fragen. Im Bereich der Quellen tauchen immer wieder Manuskripte auf, die bisher unbekannt waren. Das ist sehr erstaunlich. So ist vor Kurzem ein bis dahin unbekannter Brief versteigert worden, in dem der junge Beethoven zu erkennen gibt, wie sehr ihn das progressive Gedankengut der französischen Revolution geprägt hat. Ferner ist ein Großteil von Skizzen noch nicht abschließend erforscht. Sie erlauben Rückschlüsse auf den Schaffensprozess, den wir für einige Werke exemplarisch rekonstruieren wollen. Als drittes wäre die Interpretationsforschung zu nennen. Der Erkenntnisprozess ist bei Wweitem noch nicht abgeschlossen.

Was ist das Besondere an Beethoven im Vergleich mit Komponisten wie Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozart? Boecker: Wenn wir zurückschauen, können wir uns in die Lebensumstände Beethovens eher hineinversetzen, als in die von Bach oder auch Mozart. Bei Beethoven änderten sich die Zeiten: Er verstand sich als Vertreter des Geistesadels, nicht mehr des Geburtsadels. Bach und Mozart waren hingegen noch Teil des alten Systems. Hinzu kommt, dass wir an Beethoven viele Qualitäten entdecken können, die auch heute noch anregen: Er liebte es, Regeln zu brechen, Gattungsgrenzen zu sprengen und war kompromisslos, wenn es um Freiheit, Künstlertum und menschliche Ideale ging. Beethoven zählt zu den Wegbereitern eines autonomen Künstlertums am Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Zeitalter.

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