Gegen das Vergessen Bundeskunsthalle bietet Workshops für Demenzkranke an

BONN · Erst ist es nur ein Zahlendreher in der Telefonnummer, später verblassen die Erinnerungen mehr und mehr. Rund eine Million Menschen in Deutschland leiden an Demenz. "Dieses Schicksal kann uns alle treffen", sagt Bernhard Spies, Geschäftsführer der Bundeskunsthalle. Deshalb bietet sein Haus Workshops für Demenzkranke an.

 In der Bundeskunsthalle beschäftigen sich Menschen mit Demenz mit Kunst und werden wieder aktiv.

In der Bundeskunsthalle beschäftigen sich Menschen mit Demenz mit Kunst und werden wieder aktiv.

Foto: Horst Müller

Mehr als 60 Gruppen haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren die verschiedenen Veranstaltungen besucht. "Dabei kommt uns die Struktur des Hauses sehr entgegen", erklärt Kunstvermittlerin Uschi Baetz, die Führungen für Demente regelmäßig anbietet und betreut. Denn durch die ständig wechselnden Ausstellungen würden den Besuchern immer neue Anreize in einer bekannten und vertrauten Umgebung geboten.

Die Workshops sind immer in drei Phasen aufgeteilt. Nach einem gegenseitigen Kennenlernen und gemeinsamen Kaffeetrinken führt Baetz die Besucher zu ausgewählten Exponaten. "Dafür suchen wir immer kontrastreiche Ausstellungsstücke aus, die gut sichtbar sind und alle Sinne ansprechen." Nach einer Erklärung gehen die Senioren dann in einen Projektraum, um ein eigenes Bild nach ihren Vorstellungen aus verschiedenen Materialien zu gestalten.

"Das Wichtigste ist uns aber, dass die Menschen hierbei ins Gespräch kommen und sich so langsam aus ihrer Isolation lösen", sagt Birgit Tellmann, die die Rahmenprogramme für die Bundeskunsthalle verantwortet. "Wir haben tatsächlich erlebt, dass sich Besucher, die sich für die Ausstellung scheinbar nicht interessierten, bei der anschließenden Bastelarbeit öffneten und mit uns kommunizierten."

Die positiven Wirkungen dieser Workshops kann Peter Gauchel, Einrichtungsleiter des Altenheims Haus Katharina in Königswinter, nur bestätigten. "Mit diesem Angebot können wir so etwas wie Normalität in den Alltag bringen." Schon die Fahrt ins Museum mit Bus oder Bahn wecke bei vielen Teilnehmern Erinnerungen, die lange Zeit verborgen waren. Er beobachtet, dass die Bewohner nach einem Workshop wieder (inter-)aktiv werden und Dinge machen, die sie seit Jahren nicht mehr getan haben.

"Demenz ist eine stumme Erkrankung. Die Senioren reden nicht mehr. Nach einem Besuch in der Bundeskunsthalle leben einige jedoch so auf, dass sie sich wieder aktiv an einem Gespräch beteiligen", berichtet Gauchel. Möglich werden diese Projekte allerdings nur durch das vertrauensvolle Zusammenspiel von Kunstvermittlern und Pflegern.

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