Roland Emmerichs "Stonewall" Aufstand in der Christopher Street

Seit Roland Emmerich vor mehr als zwanzig Jahren nach Hollywood gegangen ist, haben seine Filme weltweit fast 3,5 Milliarden Dollar eingespielt. Aber in den letzten Jahren treibt Emmerich neben den großen Studioproduktionen auch unabhängig finanzierte Herzensprojekte voran.

 Der schöne Junge aus der Provinz: Danny Winters (Jeremy Irvine, rechts) und Ray (Jonny Beauchamp) in "Stonewall".

Der schöne Junge aus der Provinz: Danny Winters (Jeremy Irvine, rechts) und Ray (Jonny Beauchamp) in "Stonewall".

Foto: Warner Bros.

Der in Deutschland gedrehte Shakespeare-Film "Anonymus" machte den Anfang. Nun folgt "Stonewall", der von den Unruhen auf der New Yorker Christopher Street im Sommer 1969 erzählt, die als historisches Gründungsereignis der schwul-lesbischen Bürgerrechtsbewegung gelten. Emmerich, der sich vor einigen Jahren eher beiläufig als Schwuler geoutet hat, nähert sich dem emanzipatorischen Mythos aus der Erzählperspektive eines jungen Burschen, der aus dem spießigen Mittleren Westen im Greenwich Village der wilden sechziger Jahre landet.

Danny (Jeremy Irvine) ist zu Hause rausgeflogen, nachdem er beim Sex mit dem Quarterback der Schulmannschaft erwischt wurde. Etwas eingeschüchtert steht er mit dem Koffer in der Hand auf der Christopher Street, wo sich die Schwulen- und Transvestiten-Szene trifft.

Viele davon sind obdachlos und arbeiten als Stricher, so wie der Puerto-Ricaner Ray (Jonny Beauchamp), der den hübschen Jungen aus der Provinz in die Szene einführt. Auch wenn hier keiner aus seiner sexuellen Orientierung einen Hehl macht, ist die Diskriminierung allgegenwärtig.

Der Ausschank von Alkohol an Homosexuelle ist gesetzlich verboten, was der Polizei den Vorwand für Razzien in den einschlägigen Bars bietet. Auch die Prostituierten am Straßenstrich werden regelmäßig von übereifrigen Ordnungshütern zusammengeknüppelt. Als am 27.Juni im "Stonewall Inn" erneut eine Razzia durchgeführt wird, lassen sich die Besucher der Bar die willkürliche Polizeigewalt nicht länger gefallen.

Für "Stonewall" setzte es herbe Kritik in den USA

Emmerich musste für "Stonewall" in den USA herbe Kritik einstecken. Kaum war der Trailer draußen, brach im Internet ein regelrechter Shitstorm los. Mit der fiktiven Figur des weißen Provinzbuben habe er die Ereignisse auf der Christopher Street, die vornehmlich von Latinas, Afroamerikanern und Transvestiten in Gang gesetzt worden seien, für ein Mainstream-Publikum "weißgewaschen". Die Kampagne gegen den Film dürfte mitverantwortlich sein für das katastrophale US-Einspielergebnis von 187 674 Dollar.

Schaut man sich den Film unvoreingenommen an, muss man sich über die Härte der Kritik schon wundern. Natürlich wird dieser eher unbedarfte Danny als fiktive Identifikationsfigur für ein nicht ausschließlich homosexuelles Publikum ins Rennen geschickt. Aber mit diesem konventionellen Erzählkniff hört die Anbiederung dann auch schon auf. Vielmehr ist "Stonewall" bemüht, ein vielschichtiges Bild des schwul-lesbischen Lebens im New York der späten 60er Jahre zu zeigen und nimmt dabei wenig Rücksichten auf potenzielle heterosexuelle Überempfindlichkeiten.

Jonny Beauchamp mausert sich als hinreißende Latino-Diva ohnehin zum emotionalen Epizentrum des Films. Die Stricher- und Transen-Szene wirkt vielleicht ein wenig studio-steif, aber ganz gewiss nicht "weißgewaschen". Der Film vermittelt einen klaren Eindruck davon, wie sich systematische Diskriminierung ganz unmittelbar auch auf die soziale und ökonomische Situation der Betroffenen auswirkt.

Sicherlich ist "Stonewall" kein großes Kino. Man sieht dem Film sein schmales Independent-Budget deutlich an und - Hand aufs Herz - Emmerich war nie ein Meister emotionaler Feinjustierungen. Aber sein Versuch, diesen zentralen Moment schwul-lesbischer Emanzipationsgeschichte ins Mainstream-Format zu bringen, hätte ein breiteres Publikum verdient.

"Stonewall" läuft aktuell im Cinedom und im Residenz-Kino in Köln.

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