"Königsdramen 2 - Trümmer" in der Halle Beuel Alles kommt aus dem Nichts und wird ins Nichts zurückkehren

BEUEL · "A horse! A horse! My kingdom for a horse!" Das Pferd, nach dem Richard III. im Angesicht der sicheren Niederlage ruft und für das er sein Königreich hergäbe, es wird nicht kommen.

 Kindlich und schwach: Robert Höller als Heinrich VI.

Kindlich und schwach: Robert Höller als Heinrich VI.

Foto: Thilo Beu

Und so geht denn hier auf dem Schlachtfeld von Bosworth alles zu Ende: Richards Leben, die Rosenkriege und die York-Tetralogie der Historien von William Shakespeare, die Alice Buddeberg unter dem Titel "Königsdramen 2 - Trümmer" in der Halle Beuel in Szene gesetzt hat.

Und so mancher im Publikum wird erleichtert aufgeatmet haben. Denn es ist nicht so leicht, drei Stunden lang in einen nihilistischen Strudel zu schauen, der alles mit sich reißt. Unschuld, Liebe, Anstand, die Zwischentöne des Bösen, der Tod, all das hat keine Bedeutung mehr in der Tour de Force durch drei Teile "Henry VI." und einen "Richard III.". Was allein übrig bleibt, ist die Gier nach Macht um ihrer selbst willen, die in jeder Figur des Buddebergschen Königsspiels genetisch verankert ist. Wer nicht mitmacht im munteren Hauen und Stechen um die Herrschaft, ist entweder ein Kind oder ein Narr, in jedem Fall aber ein Opfer.

Wie schon in "Träume", dem ersten Teil der Zusammenfassung, bringt die radikale Verkürzung des Stoffes große Persönlichkeitsverluste mit sich. Im schmucklosen Bühnenoval, dessen Lattenwände diesmal mit durchsichtigen Planen verhängt sind, belauern und bekriegen sich stereotype Figurenfragmente, die, würden nicht die von Thomas Melle neu übersetzten Verse ihnen gelegentlich zu mehr Tiefe verhelfen, kaum etwas von Shakespeares vielschichtiger Charakterzeichnung herüberretteten. Heinrich VI. (Robert Höller) ist kindlich und schwach, sonst nichts, seine Frau Margareta (Mareike Hein) eine manipulative Domina, Gloster (Alois Reinhardt) ein feiger Funktionär, Daniel Breitfelder als Suffolk ein skrupelloser Playboy und Intrigant.

Den beiden jungen Prinzen, die Richard erst im Tower einsperren und dann ermorden lässt, gönnt Buddeberg den Entwicklungsstand von Dreijährigen und Kekse aus der Prinzenrolle. Wo eindimensionale Charaktere mit ermüdender Regelmäßigkeit rumzicken und aufeinander losgehen, können auch viele Pistolenschüsse, überraschende Rollenwechsel und unappetitliche Mordmethoden das Kammerspiel nicht retten. Wenn das Blut spritzt, spritzt es nicht rot, sondern matschbraun: Jeder ist hier "rotten to the core", bis ins Mark verdorben, sagt uns das sprudelnde Schlammblut, aber das war eh schon klar.

Ihre einzige Spannung bezieht die Inszenierung aus dem Kontrast zwischen zwei charismatischen Darstellerinnen. Mareike Hein agiert großartig als leidenschaftliche Furie Margareta. Alles, was sie tut, tut sie mit Hingabe: begehren, hassen, kämpfen, vor Wut toben, grausame Rache üben. Ihrem Feuer steht das Eis von Laura Sundermanns Richard gegenüber: Die Besetzung eines der perfidesten Tyrannen der Theatergeschichte mit dieser zierlichen, blassen Schauspielerin ist die beste Idee im "Trümmer"-Haufen. Auch Sundermann muss auf viele Szenen und Facetten des schillernden Soziopathen verzichten, und doch gelingt es ihr, einige Brüche in der kalten, spielerisch grausamen Person des Königs anzudeuten.

Am Ende ist klar: Dieser Richard III. hat keinen Buckel; seine Deformation besteht im kompromisslosen Ja zur Negation. Alles kommt aus dem Nichts und wird ins Nichts zurückkehren. Und doch wäre König Richard der gähnenden Leere so gern noch einmal davongeritten.

Die nächsten Aufführungen: 5. und 7. Dezember (beide Teile hintereinander), 14., 18. und 20. Dezember. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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