Bonner Oper "Ailey II" - Tanz der Helden und Königinnen

bonn · Das Bonner Tanzpublikum liebt die junge Truppe des Alvin Ailey Dance Theater: Schon das Gastspiel von "Ailey II" im Mai 2012 war ein Triumph in der Oper, und auch dieses Mal jubelte das restlos ausverkaufte Haus über die Performance des New Yorker Ensembles, das seit drei Jahren von Troy Powell geleitet wird.

 Federleicht und dynamisch: Sequenz aus der Choreografie "Rusty".

Federleicht und dynamisch: Sequenz aus der Choreografie "Rusty".

Foto: Theater Bonn

Vier Choreographien haben die zwölf Tänzer mitgebracht - die Reihenfolge der Aufführung ist mit Rücksicht auf Stimmung und Wirkung klug gewählt: Der Abend beginnt mit puristischer Strenge, nimmt dann Fahrt auf und gipfelt in ganz großem Kino. "Wings" von Jennifer Archibald basiert laut Auskunft der Choreographin auf einem Gedankenspiel: "Was wäre, wenn Engel zu uns auf die Erde kämen?" Nun, sie wären auf jeden Fall nicht als solche zu erkennen, weil sie wie alle anderen auch weiße Pluderhosen tragen und sich mit der athletischen Grazie von Äquilibristen und Kickboxern bewegen.

"Wings" ist fließend, puristisch, abstrakt und liefe Gefahr, trotz aller Handstand-Akrobatik langweilig zu werden, wenn nicht die atmosphärische Musik von Michael Wall immer neue Stimmungsbilder erzeugte. So gibt es Tempowechsel und Crescendi im stetigen Sehnen und Streben der Gestalten, die mal im Konflikt aufeinanderprallen, dann aber wieder zu synchroner Einigkeit zurückfinden. Dass dieses Stück die Erdenschwere transzendieren will und sich gen Himmel orientiert, ist dank der unentwegt nach oben gestreckten Arme und Finger sowie der wie zum Gebet aneinandergelegten Hände wirklich nicht zu übersehen.

Nach Robert Battles berührender Paarstudie "We" folgt mit "Rusty" von Benoit-Swan Pouffer eine Choreographie, die sich selbst nicht so ernst nimmt. Gewollt unorganisiert schlendert, springt und tänzelt ein Trupp junger Leute über die Bühne, übt sich in Imponiergehabe und Revierkämpfen, Zickenterror und Beste-Freundinnen-Sein. Man hängt zusammen ab, tut sich pärchenweise zusammen und könnte irgendeine beliebige Dorfjugend sein, wären da nicht die Moves, die ab und an geübt und vorgeführt werden - teils mit ernstem Eifer, teils ironisch gebrochen und parodistisch übertrieben. Das alles macht deshalb so viel Spaß, weil sich hinter der locker lässigen Attitüde hochvirtuose Bewegungsabläufe verbergen, die die jungen Aileys mit der ihnen eigenen Selbstverständlichkeit meistern: Alles wirkt federleicht, nichts angestrengt.

Doch auch wenn sich "Rusty" mit seinem schnoddrigen Charme schon in die Herzen der Zuschauer geschlichen hat - mit "Virtues", dem Geniestreich von Amy Hall Garner, dreht die Company ihre Ausstrahlung auf volle Wattzahl. Zuerst ist da die Musik: In den konzertant angelegten Chor-Arrangements von "Adiemus"-Komponist Karl Jenkins kommen Pop und Jazz, ethnische und sakrale Einflüsse zusammen und malen ein opulentes Klangbild. Dazu tanzen die Amerikaner mit so viel Tempo, Stolz und Lebensfreude, dass Garners ungenierte Griffe in die Hollywood-Trickkiste kaum jemanden stören. Die Frauen schreiten und strahlen wie Königinnen, sie wirbeln und fliegen auf die Bühne; die Männer sind mit Muskeln, Sprungkraft und Heldenblick an ihrer Seite. Die unbändige Freude der Tänzer ist nicht aufgesetzt. Genauso wenig wie ihre strahlenden Gesichter, als sich mehr als tausend Zuschauer von ihren Sitzen erheben.

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