Wahlkampf in Bonn Pro NRW und BIG-Partei beharken einander

BONN · Wo zwei Parteien einander als Gegner identifizieren, scheinen die Fronten geklärt. Und doch: Dass sich Pro NRW und BIG-Partei im laufenden Wahlkampf für ihre Plakate oft denselben Laternenmast teilen, entbehrt nicht einer gewissen Symbolkraft.

Zwar könnten die politischen Ziele, ablesbar etwa an der Haltung zur Einwanderungspolitik, gegensätzlicher kaum sein. In ihrer Außenwirkung hingegen weisen Rechtspopulisten und Migrantenpartei durchaus Parallelen auf.

Seien es regelmäßige Oberbürgermeister- und Medienschelte, die Stilisierung als Opfer, Provokation auf Plakaten, polarisierende Anträge oder die Klage über die Ausgrenzung durch die anderen Parteien: Die Bilder ähneln einander, so sehr sich beide Seiten über das Internet, in Pressemitteilungen oder Reden auch beharken mögen.

Zu einem Kulminationspunkt kommt es vor zwei Jahren in Lannesdorf. Am 5. Mai 2012 nutzen mehr als 100 gewalttätige Salafisten eine Pro-NRW-Kundgebung als Vorwand für heftige, geplante Straßenschlachten mit der Polizei.

Zur Vollständigkeit der Schilderung gehören die teils feixenden, hämischen Gesten, mit denen einzelne Pro-NRW-Vertreter die Mohammed-Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard so weit in die Höhe reckten, dass die Salafistenmenge gegenüber sie auf jeden Fall zu sehen bekommt.

Zur Vollständigkeit gehört ebenfalls, dass auf der anderen Seite der Polizeikette einzelne Mandatsträger der BIG-Partei - in diesem Fall allerdings in Funktionen des Bonner Rats der Muslime anwesend - umgeben von namhaften salafistischen "Größen" mit aufgeregten Rufen per Megafon auf die Karikaturen reagiert haben: "Runter mit den Plakaten."

Diese nämlich, so die Polizei später, seien für die Gegendemonstranten eigentlich gar nicht sichtbar gewesen, erst die Rufe hätten darauf aufmerksam gemacht. Man habe nur beschwichtigen wollen, beteuern die Beteiligten bis heute.

An jenem Tag entstanden die Bilder, aus denen man sich im Internet je nach propagandistischem Bedarf bedienen kann. Provozierende Rechte unter Polizeischutz und heldenhafte Dschihadisten für die einen, ein gewalttätiger Migrantenmob für die anderen.

Die nächste Eskalationsstufe bezahlte dann Pro-NRW-Chef Markus Beisicht beinahe mit seinem Leben, als die Polizei einen Mordanschlag durch Salafisten gerade noch vereiteln konnte. Wohlgemerkt: Einen Zusammenhang zur BIG-Partei gab es dabei nicht.

Beharrlich verneint die Partei eine ideelle Nähe zu Extremisten, wie sie ihr etwa von Pro NRW nachgesagt wird - auch wenn BIG-Vorsitzender Haluk Yildiz im vergangenen Jahr gegenüber dem General-Anzeiger äußerte, "dass 99 Prozent der sogenannten Salafisten nicht gewalttätig sind. Es wäre gut, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen, statt sie zu stigmatisieren".

"Beide Seiten brauchen einander", sagt der Bonner Politikwissenschaftler Tilman Mayer zum "Zusammenspiel" der Kontrahenten. Für den Professor ist Pro NRW "zweifellos eine Splitterpartei am rechten Rand". Indikator sind für ihn dabei weniger die inhaltlichen Thesen, über die - wie etwa zur Rolle des Islam in Deutschland - grundsätzlich gesprochen und gestritten werden könne.

Indes: "Es ist offensichtlich, dass die Partei bei ihren Auftritten auf der Straße viel Energie in offene Provokation steckt, Abwehrreaktionen einkalkuliert und darin scheinbar auch ihre Identität festigt. So etwas gibt es in den bürgerlichen Parteien nicht", so Mayer.

Für den Landesverfassungsschutz ist Pro NRW eine "eindeutig rechtsextremistische Gruppierung", wie ein Sprecher auf Anfrage nun noch einmal bestätigte. Der Bundesverfassungsschutz musste die Erwähnung von Pro NRW infolge einer Klage für einige Jahre löschen. BIG ist kein "Beobachtungsobjekt".

Detlev Schwarz, den Kreisvorsitzenden der selbst ernannten Bürgerbewegung mit ihren knapp 25 Mitgliedern in Bonn, ficht die Meinung im Innenministerium nicht an: "Wir vertreten konservative, bürgerliche Werte und stehen voll auf dem Boden des Grundgesetzes.

Aber das politische Koordinatensystem hat sich nach links verschoben", sagt Schwarz, der 29 Jahre lang CDU-Mitglied war. "Gerechtigkeit, Vielfalt und Mitsprache auf Basis gemeinsamer Werte wie Respekt, Verantwortungsbewusstsein und Miteinander", so fasst seinerseits Haluk Yildiz das Ziel seiner Partei zusammen, die der kulturellen Vielfalt eine Stimme gebe.

"Gewalt und Ausschreitungen wie in Lannesdorf sind die rote Linie. Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt", sagt Yildiz heute. Die BIG-Partei ist seit 2009 mit zwei, Pro NRW mit einem Stadtverordneten im Rat vertreten. Für heute hat Pro NRW eine Wahlkampfkundgebung auf dem Friedensplatz angemeldet, auch eine Gegendemonstration findet statt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort