Kommunalwahl-Thema Verkehr Politiker setzen vor allem auf die Stärkung des ÖPNV

BONN · Nicht nur Autofahrer merken es bei der kleinsten Störung im Verkehrsnetz der Region: Die Hauptstraßen sind längst an der Kapazitätsgrenze angekommen. Auch viele Linien des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) fahren an der Belastungsgrenze.

 Welche Wege aus dem Stau sehen die Parteien? Die Ansätze sind unterschiedlich.

Welche Wege aus dem Stau sehen die Parteien? Die Ansätze sind unterschiedlich.

Foto: Max Malsch (GA-Archiv)

Und die Prognosen sagen Bonn und der Region weiteren Zuwachs voraus. Laut aktuellem Zensus des Statistischen Landesamts verlassen 27,1 Prozent der Bonner die Stadt, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, 51,6 Prozent der in Bonn Beschäftigten kommen aus dem Umland.

Wie geht es also in Zukunft weiter mit dem Verkehr? Wo liegen die Lösungen? Gutachter mahnen schon seit Jahren eine weitere Rheinbrücke an. In einem Gutachten wird eine für Bahn- und Autoverkehr gekoppelte Rheinquerung zwischen Wesseling und Niederkassel angeregt.

Laut Experten fehlen den NRW-Kommunen für ihre Stadt-, Straßen- und U-Bahnen in den kommenden Jahren 1,1 Milliarden Euro - und das nur für dringende Sanierungsmaßnahmen. Dabei besteht gerade in Ballungsgebieten eine dringende Notwendigkeit, den ÖPNV auszubauen.

Ein Gutachten von Ende 2010 empfahl unter anderem eine Streckenführung der Stadtbahnlinie bis Mehlem. Das würde 67 Millionen Euro kosten. Und es schlug vor, die Bahnlinie 62 (Dottendorf-Beuel-Oberkassel/Römlinghoven) in zwei Linien zu teilen. Eine würde wie bisher fahren, die zweite aber über die Südbrücke nach Bad Godesberg. Die Fahrzeit von Beuel Bahnhof bis Bad Godesberg würde so nur 16 Minuten dauern. Auch einen Linientausch von 66 und 16/63 schlugen die Gutachten vor: Die Linie 66 würde dann nicht mehr wie heute von Siegburg über Bonn nach Ramersdorf, sondern bis Bad Godesberg durchfahren. Dafür würde die Linie 16/63 von Köln über Tannenbusch und Hauptbahnhof bis Ramersdorf beziehungsweise Bad Honnef verkehren.

Was hilft der Region aus dem Verkehrsproblem? Ist es doch der alte Plan von der Südtangente? Was sind die dringlichsten mittelfristigen und langfristigen regionalen Verkehrsprojekte aus Sicht der Politiker? Wie stehen sie zu einem flächendeckenden Tempo 30 in Bonn?

Das sagt die CDU

"Wir setzen vor allem auf eine weitere Stärkung des ÖPNV und des Schienenverkehrs. Mit der S 13, der RB 23, aber auch den beidseitigen Taktverdichtungen auf der DB-Strecke nach Köln und dem Bau eines neuen Haltepunktes “Regierungsviertel„ wird eine Verbesserung zutage treten. Der neue Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) und ein Busbahnhof in Beuel tragen zur Verbesserung der Umsteigemöglichkeiten bei", sagt CDU-Kreisverbandschef Christos Katzidis.

"Wir befürworten eine weitere Rheinquerung nördlich oder südlich von Bonn. Dies würde uns von überregionalem Verkehr stark entlasten. Ein Ennertaufstieg und auch eine Nordspange zwischen Flughafenautobahn und A 3 könnten den überregionalen Verkehr kanalisieren und die Ortslagen entlasten. Die Umsetzung der Südtangente sehen wir zurzeit nicht als vordringliche Aufgabe - wollen aber langfristig die Möglichkeit dazu offenhalten. In der Verkehrsentwicklungsplanung gibt es viele konkrete Verbesserungsvorschläge. Diese wollen wir konsequent umsetzen. Wir haben flächendeckend Tempo-30- Zonen in Wohngebieten eingeführt. Auf Hauptverkehrsstraßen mit Buslinien hat sich Tempo 50 bewährt."

Das sagt die SPD

"An vorderster Stelle rangieren für uns klar die S 13, eine bessere Vertaktung linksrheinisch, eine bessere Anbindung für den Hardtberg und der mehrspurige Ausbau der bestehenden Autobahnen, der A 59 und der A 565. Die Südtangente lehnen wir ab. Sie ist nicht finanzierbar, ökologisch nicht verträglich und spaltet Wohngebiete. Alternative ist der Autobahnausbau", so Werner Esser, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

"Eine zweite Rheinquerung sollte auch eine für den Schienenverkehr sein. Sie müsste in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden. Wir brauchen intelligente Verknüpfungen zwischen Rad, ÖPNV und Auto (zum Beispiel Car-Sharing und Bike & Ride). Durch Radwegebau kann viel Mobilität für wenig Geld geschaffen werden. Mehlem sollte über den Bahnhof, der Beueler Süden über eine neue Line 64 angebunden werden. Die 62 ist ausgelastet. Ein Tausch der 66 und 16/63 hätte Vorteile. Uns ist ein Ausbau des Schienenverkehrs lieber als eine bloße Umverteilung der Kapazitäten. Tempo 30 in Wohngebieten hat sich bewährt. Die überörtlichen Hauptverkehrsstraßen sollten nicht generell mit Tempo 30 ausgestattet werden."

Das sagen die Grünen

"In Bonn muss die Verkehrswende gelingen, hin zu den umwelt- und menschenfreundlichen Verkehrsmitteln. Dass es so nicht mehr weitergeht wie bisher, kann man in Bonn jeden Tag erleben. Mehr Straßen helfen da nicht weiter; sie wären in kurzer Zeit wieder voll. Das von uns propagierte Konzept der Fahrradhauptstadt, das bisher vom OB ausgebremst wird, muss von der Verwaltung umgesetzt werden", sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Rolf Beu.

"Auch ist der öffentliche Nahverkehr auszubauen, damit er für die Menschen als bessere Alternative erkennbar ist. Die Südtangente ist ein Verkehrsprojekt aus der Mottenkiste der 1960er-Jahre. Weder finanziell, ökologisch noch stadtgestalterisch vertretbar. Es würde nicht nur wertvolle Naturräume zerstören, sondern auch die Stadt zerschneiden. Als Bundesfernstraße würde sie die Autobahnen A 3 und A 61 verbinden und internationalen Lkw-Fernverkehr mitten durch die Stadt führen. Ob die Region wirklich eine weitere Rheinquerung benötigt, ist strittig, und wenn, dann als kombinierte Straßen-/Bahnbrücke. Realisierungszeitraum: 20 bis 30 Jahre."

Das sagt die FDP

"Die FDP setzt sich für den Autobahnbogen Bonn ein. Wir fordern, die A 565 und die A 59 sechsspurig auszubauen. Ein weiteres wichtiges Projekt ist der Anschluss Bonns an das S-Bahn-Netz (S 13). Aufgrund der enormen Kosten sind die linksrheinischen Tunnelüberlegungen nur langfristig umsetzbar und damit für eine kurzfristige Lösung der Verkehrsprobleme nicht geeignet. Der Ennertaufstieg würde eine wesentlich leichter zu finanzierende Lösung der rechtsrheinischen Verkehrsprobleme bieten", sagt der FDP-Planungssprecher Frank Thomas.

"Die FDP sieht die Notwendigkeit einer weiteren Rheinquerung in der Region. Wir wollen das Stadtbahnnetz ausbauen und modernisieren. Zum Beispiel wollen wir die Stadtbahnlinie 63 nach Buschdorf verlängern. Die Linie 61 soll über Dottendorf weiter nach Friesdorf fahren. Die Stadtbahn von Bad Godesberg wollen wir oberirdisch Richtung Mehlem fortsetzen. Wir fordern, die Planungen zur Hardtbergbahn aus städtebaulichen und finanziellen Gründen sofort zu stoppen. Eine Tieferlegung der Stadtbahn vor dem Hauptbahnhof lehnen wir aus gleichen Gründen ab. Ein ideologisches Tempolimit von 30 Stundenkilometer lehnen wir ebenfalls ab."

Das sagt die Linke

"In der Region sollte der Autoverkehr minimiert werden und der Ausbau des Schienennetzes Vorrang haben. Der Ausbau der RB 23, die durchgehende Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Linie 66 und gut getaktete S-Bahnverbindungen beiderseits des Rheins zwischen Köln und Bonn sind unter anderem umzusetzen. Den Aus- oder Neubau von Autobahnen lehnen wir ab, diese Mittel (zum Beispiel Südtangente derzeit geschätzt 500 Millionen Euro) sollen in die Schieneninfrastruktur investiert werden", so Holger Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion.

"Schon jetzt sind manche Stadtbahnlinien überfüllt, ohne Ausweitung der Kapazitäten haben etwa Linienverlängerungen daher nur eingeschränkt Sinn. Über ein Förderprogramm für die Schiene in Bonn müssen diese neuen beziehungsweise zusätzlichen Bahnfahrzeuge und Verlängerungen finanziert werden. Dazu gehört auch die Hardtbergbahn. Zu einem gesamtstädtischen Verkehrskonzept gehört auch die Fahrradförderung. Tempo 30 innerstädtisch erhöht die Verkehrssicherheit, reduziert den Lärm und begünstigt den Umstieg auf ÖPNV und Fahrrad."

Das sagt der Bürger Bund

"Der sechsspurige Ausbau der A 565 zwischen Hardtberg und Beuel sowie der A 59 zwischen Bonn-Ost und Dreieck Bonn-Beuel gehört zu den dringenden regionalen Verkehrsprojekten. Aber auch mehr Regionalzüge auf der DB-Strecke Bonn-Köln und S-Bahnen bis Mehlem, der Bau des DB-Haltepunktes Regierungsviertel, die Stadtbahn-Verbindung des WCCB mit dem Flughafen über Bonn Hauptbahnhof unter Nutzung der DB-Strecke", so Stadtverordneter Marcel Schmitt.

"Die Südtangente lehnen wir ab, weil durch die neue Autobahn der Erholungspark Rheinaue mit zusätzlichem Durchgangsverkehr unzumutbar belastet würde. Alternativen sind ein verbesserter ÖPNV und der sechsspurige Ausbau der A 565 und 59. Eine Rheinquerung bei Wesseling muss schnellstens in das Ausbauprogramm des Bundes aufgenommen werden. Vom Linientausch halten wir nichts. Verlängerungen nach Süden sind wünschenswert, aber nicht realisierbar. Priorität haben für uns die Anbindung Buschdorfs und schnellere Stadtbahnen zwischen Bonn und Siegburg. Die Tieflage der Straßenbahn vor dem Hauptbahnhof lehnen wir ab. Ein flächendeckendes Tempo 30 ist für uns eine Schnappsidee."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort