Islamisten in Bonn Hassprediger weiter aktiv

BONN · Bonner Moschee distanziert sich nicht von Abou Nagie und Abu Dujana. Nach Meinung von Experten ist die Bundesstadt eine Salafisten-Hochburg.

Es ist der Tag des Opferfestes, der 16. November. Morgens früh, während der Berufsverkehr an ihnen vorüberzieht, strömen Männer in arabischen Gewändern verschiedenen Alters in die Al-Mushinin-Moschee am Schwarzen Weg in Bonn-Beuel. Einige Schritte hinter ihnen folgen Mütter mit Kopftüchern und Kinder, die an diesem hohen muslimischen Feiertag schulfrei bekommen haben. Die Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit fühlen sich an eine Szene im Orient erinnert.

Die Gebetsstätte, zu der die Muslime streben, ist vielen Bonnern bekannt. Noch zum Tag der offenen Moschee, am 3. Oktober, hatte deren Träger, der arabische Kulturverein, Nichtmuslime eingeladen zum Gespräch. Der Verein gibt sich offen. Auch wenn es um heikle Themen geht: "Natürlich werden wir vom Verfassungsschutz beobachtet", geht ein Mitglied des Vorstands, das namentlich nicht genannt werden will, von sich aus ein heikles Thema an.

Der Gast ist über so viel Offenheit überrascht. "Das ist aber doch auch in unserem Interesse, dass wir beobachtet werden und die Polizei regelmäßig bei uns zu Gast ist. Dann wissen wir auch Bescheid, wer bei uns ein- und ausgeht", so der Gastgeber.

Nun, gut zwei Monate später, steht die Al-Mushinin-Moschee bundesweit in den Schlagzeilen. Wie eine Moschee in Wien und eine in Berlin wollte auch jene in Beuel Vertreter der Gruppe "Die wahre Religion" (DWR) über den Jahreswechsel zu einem Islamseminar einladen.

Verfassungsschützer stufen diese Gruppe, deren führende Köpfe in Bonn und Köln wohnen, als extremistisch, da verfassungsfeindlich ein. Die Berliner Islamismus-Expertin Claudia Dantschke hält die Prediger um den in Köln lebenden Ibrahim Abou Nagie für "geistige Wegbereiter militanter Dschihadisten".

In Internet-Videos verherrlicht Abou Nagie den Märtyrertod und warnt davor, dass die "Kuffar", die Ungläubigen, die Muslime vom rechten Glauben abbringen wollen. Ewige Höllenqualen warten auf die Abtrünnigen, werden Abou Nagie und seine Bonner Mitstreiter wie Abu Dujana und Abu Abdullah nicht müde zu predigen.

Dienstagnachmittag: Derselbe Mann aus dem Vorstand der Al-Mushinin-Moschee, der vor zwei Monaten noch den Eindruck machte, Hassprediger nicht zu dulden, macht aus seiner Enttäuschung über die Absage des Seminars mit DWR keinen Hehl. Dazu hatte sich der Moscheeverein durchgerungen.

Der Druck der Öffentlichkeit war zu groß geworden. Doch die Absage betreffe lediglich das Seminar, wie der Mann dem GA erklärt. "Natürlich wird Abu Dujana bei uns weiter predigen", gibt er unumwunden zu. "Wir wollen uns nicht von ihm trennen." Abu Dujana, in den Medien als Hassprediger dargestellt, sei sein Bruder im Glauben "und Opfer einer Hetzkampagne". Als Prediger beim Freitagsgebet sei er weiterhin willkommen. Auch Abou Nagie werde ein gern gesehener Gast bleiben, obwohl er selten in Al-Mushinin anzutreffen sei.

Und ein weiterer Referent des abgesagten DWR-Seminars, Abu Dujanas Vater Sheikh al Araby, wird in Bonn weiter predigen. Al Araby ist unregelmäßig in der Al-Mohajirin-Moschee an der Theaterstraße anzutreffen, was Abdlqalq Azrak vom Vorstand der Moschee bestätigt, die im nächsten Jahr an der Brühler Straße ein neues Gotteshaus für 600 Menschen inklusive verschiedener Veranstaltungsräume bauen wird.

"Sein Sohn Abu Dujana kommt zu uns zum Gebet", erzählt Azrak, der für die Stadt Bonn als Integrationslotse ehrenamtlich tätig ist. Predigen dürfe er hingegen nicht. "Wir haben ihm das verboten." Zu Abou Nagie hat Azrak eine ganz klare Vorstellung: Ihn dulde man nicht in der Moschee an der Theaterstraße - wegen seiner verfassungsfeindlichen Ansichten. "Solche Leute halte ich für krank", wird Azrak deutlich.

Doch sowohl Al-Mohajirin als auch Al-Mushinin, die beide nach GA-Informationen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, tauchen in einschlägigen Foren wie beispielsweise www.ahlu-sunnah.com immer wieder auf. Dort lassen sich sowohl Befürworter des bewaffneten Dschihad, des heiligen Kriegs, über den deutschen Salafisten-Prediger Pierre Vogel aus, weil er sich von Gewalt und Terroranschlägen distanziert.

Da werden aber auch die Vorzüge Bonns gelobt, weil man dort "wie in keiner anderen deutschen Stadt" noch den wahren, den unverfälschten, sprich den salafistischen Islam lernen könne: "Wenn du gehindert bist, in ein arabisches Land auszuwandern, dann ist Bonn eine gute Möglichkeit", schreibt ein User. "Die Kuffar (die Ungläubigen, Anm. d. Red.) haben sich an die Muslime gewöhnt...

Letztlich überwiegt das Schlechte das Gute, wie sicherlich in jeder anderen deutschen Stadt auch, aber als Schwester (Muslimin, Anm. d. Red.) ist man ja eh an den Wohnort des Ehemanns gebunden", schreibt eine Muslimin. Immer wieder fällt der Name "Die wahre Religion". Kein Wunder, sehen Beobachter der salafistischen Szene doch eine enge Verknüpfung von www.ahlu-sunnah.com mit DWR.

Und immer wieder taucht der Name Bonn auf. Während sich der Verfassungsschutz nicht äußern will, berichtet ein Anhänger Pierre Vogels dem GA, dass Bonn neben Hamburg einen bundesweiten Ruf unter Salafisten habe. Auch Dantschke sieht Bonn als eine der Hochburgen des Salafismus.

Zwar finde man mittlerweile in fast jeder deutschen Stadt eine Moschee, in der der Islam salafistisch ausgelegt werde, schreibt der Politikwissenschaftler Dirk Baehr. Doch dass Bonn einen besonderen Ruf hat, liegt nicht zuletzt daran, dass bedeutende Vertreter aus Bonn kommen beziehungsweise hier wohnen.

Neben Abu Dujana hat auch Vogel eine Wohnung in Bonn. Am Dienstag noch durchsuchten Ermittler sie, weil ihm verfassungsfeindliche Aktivitäten vorgeworfen werden. Der in Godesberg lebende Abu Jamal, ein Prediger der Al-Ansar-Moschee in der Bonner Straße, ist ein enger Weggefährte Vogels.

Er trat bundesweit mit Vogel auf. Wie dieser gilt er jedoch in Fachkreisen im Vergleich zur DWR als Vertreter des puristischen Salafismus und damit als Gewalt ablehnend.

Öfter in Erscheinung getreten ist in diesem Jahr auch der Bonner Verein Dar ul Huda, der im Internet oft im Zusammenhang mit der "Wahren Religion" auftaucht. Zuletzt hat er Werbung für das Seminar in der Al-Mushinin-Moschee gemacht. Dar ul Huda unterstützt aber nicht nur DWR, sondern hat zeitweise auch zu Spenden für den Bau der geplanten Al-Muhajirin-Moschee an der Brühler Straße aufgerufen.

Für gefährlich halten Fachleute das DWR-Netzwerk, weil es vor allem auf junge muslimische Migranten und mögliche deutsche Konvertiten anziehend wirkt. Auch wenn es scheint, dass DWR seit dem Weggang von Pierre Vogel 2008 an Anziehungskraft verloren hat, und die Absagen verschiedener Seminare ein öffentliches Auftreten von Abou Nagie und Abu Dujana deutlich erschweren - noch tingeln sie von Bonn aus durch Deutschland. Auch in der Al-Huda-Moschee in Troisdorf war DWR Anfang des Jahres zu Besuch.

Doch der Widerstand wächst, wie Claudia Dantschke beobachtet. "Auch in Berlin hat DWR versucht, Fuß zu fassen. Nach dem öffentlichen Druck hat sie keine Moschee mehr reingelassen." In Bonn scheint man noch nicht so weit zu sein, den Salafisten-Predigern die Türen zu weisen.

Salafismus: Islamischer Gottesstaat als ZielDie Bewegung der Salafiyya (arabisch für: Orientierung an den Altvorderen) galt Anfang des 20. Jahrhunderts als islamische Reformbewegung. Ihre Anhänger lehnten alle Neuerungen der muslimischen Religionsgeschichte ab. Sie wollten sich auf den Kern der Religion zurückbesinnen. Der Koran und die Überlieferungen aus dem Leben Mohammeds, die Sunna, sind für sie die Richtschnur für alle Lebensbereiche.

Heute gilt der Salafismus wegen seiner wortwörtlichen Interpretation des Koran als besonders fundamentalistische und radikale Strömung des Islam. Anhänger anderer Religionen, Atheisten oder Muslime, die den Koran und den Islam anders als die Salafisten interpretieren, landen der Ideologie zufolge in der Hölle.

Ziel der Salafisten ist es, die Gemeinschaft aller Muslime, die Umma, nach ihren Vorstellungen zu vereinen. Sie streben einen islamischen Gottesstaat an, in dem die Scharia gilt, also die in Koran und Sunnah dargelegten Regeln. Die Salafisten lehnen die westliche Lebensweise ab, propagieren die strikte Geschlechtertrennung und verdammen Homosexualität. In Deutschland gilt der Salafismus als die am schnellsten wachsende und besonders gefährliche Strömung des Islamismus.

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