Bomberabschuss über Lengsdorf Sind das Wrackteile der Lancaster?

LENGSDORF · Auf den Zeitzeugenaufruf zum Bomberabschuss über Lengsdorf hat sich ein Leser mit Fundstücken gemeldet.

 Der 1944 über Lengsdorf abgeschossenen Lancaster auf der Spur: Christoph Reuter (rechts) zeigt René Karassek in Siegburg-Kaldauen Aluminiumteile, die ein Bekannter bei Röttgen gefunden hatte.

Der 1944 über Lengsdorf abgeschossenen Lancaster auf der Spur: Christoph Reuter (rechts) zeigt René Karassek in Siegburg-Kaldauen Aluminiumteile, die ein Bekannter bei Röttgen gefunden hatte.

Foto: Axel Vogel

Es war ein spannender Augenblick, als René Karassek am vergangenen Wochenende in seinem Haus in Siegburg-Kaldauen vier Wrackteile, teils koffergroß, unter die Lupe nehmen konnte. Der Bonner Christoph Reuter hatte Karassek die Wrackteile zur Begutachtung überlassen.

Der 52-Jährige ist Bauleiter bei einer Siegburger Dachdeckerfirma, in seiner Freizeit engagiert er sich aber als eine Art Flugzeugarchäologe für die AG Vermisstenforschung. Die ehrenamtliche Organisation will das Schicksal vermisster Flugzeuginsassen sowie Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg aufklären.

Die Frage ist nun: Stammen die teils stark verformten Aluminiumteile aus jenem Lancaster-Bomber der Royal Air Force mit der Kennung SR-U, der am 28. Dezember 1944 nach einem Flaktreffer über Lengsdorf abgestürzt war?

Karassek sucht nach eben jener Lancaster. Die Enkelin eines der damals getöteten acht Besatzungsmitglieder hatte eine Anfrage zur genauen Absturzstelle an die AG gestellt. Um Hinweise von Zeitzeugen zu bekommen, hatte Karassek den General-Anzeiger um eine Berichterstattung gebeten.

Viele Leser reagierten, darunter auch Christoph Reuter. Der Mann, der in der ambulanten Pflege arbeitet, versucht, in seiner Freizeit mit viel Aufwand das Schicksal abgestürzter Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg zu klären - egal ob deutscher oder alliierter Herkunft. Ein umfangreiches Archiv mit Akten von ehemaligen Luftwaffeneinheiten hilft ihm dabei.

Christoph Reuter ist mit seinen 46 Jahren zwar kein Zeitzeuge der Kriegsereignisse mehr. Wohl befinden sich in seinem Besitz aber Fundstücke, die bei der Klärung des Falles helfen könnten: Es geht um Wrackteile, die ein Freund von ihm, der Schmied Andreas Kaiser, vor anderthalb Jahren bei einem Spaziergang nahe des Kreisverkehrs an der Reichsstraße in Röttgen gefunden hatte. Nebst einem alten Wehrmachtshelm.

Nach Ansicht von René Karassek passt der Fund zu den bisherigen Hinweisen von Zeitzeugen. Die sprechen dafür, dass die Maschine nach einem Volltreffer in der Luft explodiert ist und Wrackteile vor allem an zwei Stellen zu Boden gestürzt sind: Zum einen im Bereich der Anschlussstelle Lengsdorf der A565 sowie im Bereich südliches Lengsdorf/Mühlenbach.

Durchaus können dabei aber auch noch Trümmerteile über Röttgen niedergegangen sein, so Karassek. Dafür würden auch die Beobachtungen eines weiteren Zeitzeugen sprechen: Als 14-Jähriger hatte der gebürtige Röttgener Lorenz Meier damals unmittelbar nach dem Absturz der Viermotorigen nahe seines Heimatortes eine regelrechte Trümmerspur ausgemacht. Die erstreckte sich nach seinen Schilderungen vom Röttgener Forsthaus bis nach Lengsdorf. Gesehen hat der 85-Jährige, der heute in Wachtberg-Villip wohnt, "einen rechten Fliegerstiefel, viele Trümmer, aber keine Toten".

Um jetzt den Nachweis führen zu können, dass die Wrackstücke von Christoph Reuter tatsächlich zu der gesuchten Lancaster gehören, muss Karassek eventuelle Teilenummern auf dem Aluminium ausfindig machen. Denn Fakt ist: Viele Komponenten des Bombers haben in dem Produktionsprozess sogenannte Teilenummern bekommen - der besseren Zuordnung wegen, erklärt Karassek.

"Anhand von Datenbanken lassen sich viele dieser Nummern abgleichen und einem Flugzeug zuordnen." Auf einen solchen Fall hofft der Flugzeugarchäologe. Doch so etwas dauert. "Vorher müssen die Wrackteile aufwendig gereinigt werden." Das macht er gründlich, denn oft reiche eine Teilenummer, um die Lancaster zu identifizieren. Dann könnte er die Suche beenden - "und die Enkelin des getöteten Besatzungsmitglieds hätte einen Ort zum Abschied nehmen".

Zeitzeugen berichten

Wilhelm Hermann, aus Bornheim-Rösberg, dessen Vater sich an Trümmerteile der Lancaster am Mühlenbach bei Lengsdorf erinnert (der GA berichtete), kann ergänzende Details zu einer möglichen Absturzstelle beitragen: Seine 1935 geborene Tante Gertrud Behrens, geborene Hermann, wohnt in Lengsdorf Im Mühlenbach. Auch sie konnte sich noch gut an den Flugzeugabsturz in der Weihnachtszeit 1944 erinnern. Allerdings habe sie Trümmerteile an einer ganz anderen Stelle in Lengsdorf gesehen als ihr Vater. Und zwar in der Nähe des Ippendorfer Weges.

Wilfried Schneider berichtet über die Erlebnisse einer 89-jährigen Lengsdorferin aus der Uhlgasse. Sie sagt, dass am 28. Dezember 1944 im Garten ihres elterlichen Hauses in der oberen Uhlgasse das hintere Teil eines Fliegers abgestürzt sei. Die damals 18-Jährige sah in einem Wrackteil einen jungen toten Soldaten mit einem Maschinengewehr und einem Patronengurt.

Lorenz Meier aus Wachtberg-Villip, der damals als 14-Jähriger in Röttgen gelebt hat, weiß neben Details zur Lancaster in Lengsdorf von zwei weiteren Abstürzen in der Röttgener Umgebung. So war er vor dem Lancaster-Absturz Zeuge eines Luftkampfes zwischen zwei Jägern - einer deutschen Messerschmitt ME 109 und amerikanischen Republic P-47 Thunderbolt - geworden. Dabei seien beide Maschinen abgestürzt: Der US-Pilot habe laut Meier "tot und noch angeschnallt in einem Teil seines Sitz gesessen". Ebenfalls nicht überlebt hatte nach seinen Schilderungen die zweiköpfige Besatzung einer deutschen, zweimotorigen Messerschmitt ME 110 den Absturz ihres Flugzeugs im Kottenforst. Wie der US-Pilot seien auch die beiden toten Deutschen damals zunächst ins Röttgener Spritzenhaus gebracht worden.

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