Soldat, spätberufener Student, begeisterter Leser und Lernpate Mit tiefer Liebe zur Altamerikanistik

BRÜSER BERG · Wenn man zum Studieren in eine andere Stadt zieht, dann sucht man sich normalerweise eine Studentenbude oder eine WG. Bei Peter Noack war das anders. Als er Anfang der 90er Jahre hierherkam, entschied er sich für ein kleines eigenes Haus auf dem Brüser Berg.

 Weit gereist, aber jetzt auf dem Brüser Berg zu Hause: Peter Noack

Weit gereist, aber jetzt auf dem Brüser Berg zu Hause: Peter Noack

Foto: Gerlind Schabert

Denn da lag schon einiges hinter ihm: ein langes Berufsleben mit ständigen Ortswechseln, die Familiengründung, viele Ehejahre durch Dick und Dünn und spannende Auslandsaufenthalte. Dass er im Jahr 2005, zwölf Jahre nach seiner Pensionierung, die Bonner Universität mit einem Altamerikanistik-Magisterabschluss in der Tasche verlassen konnte, ist auch ein Sieg seines Willens über die Lebensumstände, in die er hineingeboren wurde.

Weil Noack, Jahrgang 1937, und seine jüngeren Brüder früh den Vater verloren, mangelte es der Familie an Schulgeld. Lange vor dem Abitur musste der Älteste das Gymnasium verlassen und eine Werkzeugmacher-Lehre absolvieren.

Trotzdem blieben Bücher sein Hauptnahrungsmittel: "Als ich klein war, habe ich mir bei einem Unfall auf dem Güterbahnhof die Fußsohlen verbrannt und konnte nicht zur Schule gehen. Da habe ich angefangen, ständig zu lesen. Und das mache ich bis heute."

Noacks Ludwigsburger Freundeskreis bestand aus jungen US-Soldaten, er träumte davon, nach der Ausbildung in die USA auszuwandern. Doch die Einführung der bundesdeutschen Wehrpflicht kam 1957 dazwischen. Dass er als einer von wenigen beste Englischkenntnisse hatte, beförderte seine Laufbahn und brachte ihn doch noch in die USA: Zur Ausbildung und später immer wieder ins texanische El Paso, wo deutsche Soldaten mit amerikanischen Atomraketen vertraut gemacht wurden.

Die Symbole des Kalten Krieges prägten über lange Jahre seine Arbeitswelt. "Ich habe auch schon mal mit dem Finger am Drücker gesessen und auf ein Kommando gewartet, weil eine russische Verkehrsmaschine den falschen Weg eingeschlagen hat", blickt er auf diese Zeit zurück. Die tiefe Liebe Noacks zur Altamerikanistik entstand auf Reisen, die er allein und mit seiner jungen Familie vom texanischen Truppenstützpunkt aus in die Indianergebiete der südlichen USA unternahm.

"Als ich diese Welten kennenlernte, da wusste ich, dass ich sie später noch gründlich studieren wollte." Hunderte von indianischen Erinnerungsstücken und Scherbenfunden schmücken die Regale und Wände im Arbeitszimmer des Pensionärs. Seine ungewöhnliche E-Mail-Adresse wirkt nur so lange verwirrend, bis er erklärt, dass sie "Schreib mir" bedeutet - in Quechua, einer Sprachform des Andenraums.

Auch nach vielen Berufsjahren und dem zusätzlichen Studienabschluss, für den der Nicht-Abiturient so manche bürokratische Hürde überwinden musste, ist Noack noch immer nicht im Ruhe-stand angekommen. Statt die Füße hochzulegen, hat er die Bildungsfürsorge für die achtjährige Raniem und den elfjährigen Mohammed aus einem Zweig der syrischen Flüchtlingsfamilie Kiwan übernommen.

An jedem Schultag erledigen die drei gemeinsam Hausaufgaben, üben Deutsch und besprechen die Probleme, die das neue Leben in der Fremde mit sich bringt - zuerst gleich um die Ecke, am Brüser Berg, nun, nach ihrem Umzug, in Endenich.

"Dahin fahre ich immer mit dem Bus um 14.27 Uhr", erzählt der 77-Jährige, der froh und stolz ist, dass seine Unterstützung bei den Kindern so gut verfängt. "Sie sind erfolgreich in der Schule, vor allem, weil sie es selber wollen. Sie lernen mit Freude, und dadurch macht es mir natürlich noch mehr Spaß."

Beinahe erstaunt es deshalb, dass dem zweifachen Vater und fünffachen Großvater auf Nachfrage keine dringenden weiteren Pläne für die Zukunft einfallen. Ein Zweitstudium zumindest ist erst einmal nicht in Sicht. Seine Frau - so ist aus Noacks Worten leise herauszuhören - wird diese Auskunft erleichtern.

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