Aus der Haft entlassener Rapper An Xatar scheiden sich die Geister

BRÜSER BERG · Den aus der Haft entlassenen Rapper kennt fast jeder auf dem Brüser Berg. Vor allem auf Jungen hat er Einfluss. Wer sich ein wenig auf dem Brüser Berg umhört, dem wird eines schnell klar: Xatar ist dort ein bekannter Name.

Der im Iran geborene Rapper wuchs auf dem Brüser Berg auf, besuchte hier die Schule, half seiner Mutter im Internet-Café. 2007 wurde er mit dem Lied "Interpol.com" national bekannt. Als er 2009 einen Goldtransporter in Ludwigsburg überfiel, verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart ihn zu acht Jahren Haft. Absitzen musste er wegen guter Führung nur vier. Jetzt ist er wieder frei.

Melanie und Martin, beide 18, gehen auf das Hardtberg-Gymnasium und wissen sofort, um wen es geht, als man Xatar erwähnt. "Wir sind keine Fans", stellt Martin sofort klar. "Aber wenn man hier wohnt, kommt man nicht drumherum, seine Musik zu hören."

Xatars Mutter war die Ausbildung ihrer Kinder wichtig. Sie arbeitete als Kinderpflegerin, um den Klavierunterricht für den damals Neunjährigen und seine Schwester zu finanzieren. Mit 18 begann Xatar zu rappen, wurde Mitglied der Bande "Brüser Berg Assis".

Heute zählt seine Facebook-Seite 366.000 Likes. Für den Goldraub habe er seinerzeit nur 25.000 Euro bekommen, sagte Xatar seinerzeit. Wo das Gold sei, wisse er nicht. In seinem neuen Video "Original" fährt er mit geschlossener Sporttasche nach Dubai. Er trägt eine Goldkette, eine Golduhr, einen Goldzahn. Sein neuer Song wurde über 1,5 Millionen Mal auf Youtube geklickt.

"Xatar ist ein freier Mann", sagt eine Sprecherin der Polizei Ludwigsburg. Gegen ihn werde nicht mehr ermittelt, auch nach dem verschwundenen Gold werde nicht mehr gesucht. "Der Fall ist abgeschlossen." Xatars Anwalt Malte Höch ist nicht zu erreichen - der Grund: eine Geschäftsreise in den USA.

Drei Realschüler reagieren auf die Frage nach Xatar und dessen Goldraub zurückhaltend. Ja, man habe Xatar gehört, als man jung war. Er sei halt ein "echter Rapper", der das, was er sage, auch durchziehe. "Sein Motto ist ja: Alles oder nichts", sagt der 18-jährige Alan. Mittlerweile fänden sie die Texte zu flach, den Inhalt zu sexistisch. "Man wird halt erwachsen."

Florian ist 24 und hört Xatar, seitdem er 13 ist. "Ich mag seine direkte Art", sagt er. Er habe den Rapper persönlich in einem Geschäft auf dem Brüser Berg kennengelernt - da habe man sich früher immer getroffen. "Der ist super drauf." Xatar mache gute Beats, der Goldraub habe seinem Image nicht geschadet, es sogar noch verbessert.

"Hier auf dem Brüser Berg ist er immer noch Kult." Er selbst finde es zwar nicht gut, dass Xatar damals das Gold geraubt hat. Trotzdem sehe er keinen Grund, seine Musik nicht mehr zu hören. Florians liebste Textzeile aus einem Song von Xatar: "Ich budspencer dich weg."

Zeilen wie diese kennt auch die 15-jährige Vivien, die an der Schulbushaltestelle wartet. "Einfach unnötig", sagt sie, als man sie auf Xatar anspricht. "Seine Musik beleidigt andere Leute, so was muss man einfach nicht öffentlich machen." Sie selbst bekomme in ihrer Klasse mit, dass Jungs Zeilen aus den Texten von Xatar benutzen, um Mädchen zu beleidigen. "Die rappen ihn im Unterricht nach, um uns herunterzumachen", sagt sie.

Das erlebt auch die 15-jährige Melissa, die gerade mit ihren Freundinnen aus der Schule kommt. "Xatar hat einen großen Einfluss auf die Jungs hier", sagt sie. Alle würden den Goldraub "feiern". Warum, kann sie sogar verstehen - Xatar sei einfach von hier, stehe hinter seinen Freunden. Sie habe ihn früher öfter in der Gegend gesehen.

"Allerdings finde ich es nicht gut, dass er so frauenfeindlich ist", sagt sie. Offen gegen ihn sprechen könne man aber auch nicht. "Dann kommt von den Fans so was wie: Was willst du mit deiner Barbiemusik?" Barbiemusik - so kann man Xatars Musik nicht beschreiben. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien setzte 2010 das Album "Alles oder nix" auf den Index. Laut Auskunft seines Managements wohnt der Rapper auch jetzt noch in Bonn. Was er mit seiner Musik bei Jugendlichen bewirkt, scheint seinem Image aber nicht zu schaden.

Spektakulärer Goldraub

Wegen eines spektakulären Goldraubs wurde Xatar 2011 vom Oberlandesgericht Stuttgart zu acht Jahren Haft verurteilt. Er und seine Komplizen sollen Schmuck und Zahngold im Wert von 1,68 Millionen Euro geraubt haben. Bis heute fehlt von der Beute jede Spur. Die Art, wie die Täter am 15. Dezember 2009 den Transport eines Nürnberger Schmuckhändlers überfielen, war ungewöhnlich.

Schwiegersohn und Cousin des Händlers fuhren mit einem Mercedes-Sprinter auf der Autobahn 81, als sie gegen 10 Uhr bei Ludwigsburg ein dunkler BMW mit Blaulicht überholte. Mit einer Leuchtschrift am Heckfenster wurden sie aufgefordert, dem Wagen über die Ausfahrt B 27 zu folgen. Im BMW saßen drei Täter, darunter Xatar.

Unter einer Brücke hielten die Autos an. Die Täter waren mit grünen Oberteilen und schwarzen Westen mit der Aufschrift "Polizei" bekleidet und gaben sich als Steuerfahnder aus. Den Opfern erklärten sie, dass sie wegen Steuervergehen verhaftet seien und der Transporter beschlagnahmt werde. Die Männer wurden mit Handschellen gefesselt und später in einem Wald ausgesetzt.

Giwar H. alias Xatar

Als Giwar H. wurde Xatar am 24. Dezember 1981 im Iran geboren. Sein kurdischer Künstlername bedeutet "Gefahr". Bereits als Kind kam er nach Bonn und gehörte der Gruppe "Brüser Berger Assis" an. In den 1990ern begann H. zu rappen, unter anderem mit seinem Freund Sami. Als Polizei und Justiz Giwar H. 2005 wegen des Verdachts des Drogenhandels suchten, lebte er in London.

Der Haftbefehl wurde 2007 aufgehoben. Nach seiner Rückkehr verurteilte ihn das Amtsgericht Bonn zu einer Geldstrafe , weil er einen Barkeeper in Bad Godesberg niedergeschlagen hatte. Mit seiner Mutter führte er einige Jahre ein Internet-Café auf dem Brüser Berg.

2008 gründete der Rapper das Label "Alles oder nix Records", spielte bei der RTL 2-Fernseh-Show "Der Bluff" mit und veröffentlichte sein erstes Soloalbum "Alles oder nix". In einem Film, den Schüler in Tannenbusch über sich selbst drehten, erzählte Xatar von seinem Leben, von Gewalt und verpassten Ausbildungschancen. Zudem drehte er Videoclips und trat im "Kurdistan TV" auf. In seinen Liedern geht es zumeist um Drogenhandel, Prostitution und Waffengewalt

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