Quer durch die Literatur Offene Bücherschränke sind in Bonn beliebt

Duisdorf · Offene Bücherschränke sind beliebt. 21 gibt es inzwischen in Bonn. Einer davon steht Am Schickshof in Duisdorf. Dort gibt es zahlreiche Romane, Sachbücher und Biografien.

Zugegeben: An heißen Sommertagen dauert es schon eine ganze Weile, bis die ersten Passanten den Bücherschrank am Schickshof überhaupt eines Blickes würdigen. Manche von ihnen eilen noch im motivierten Stechschritt über den Platz, andere haben längst vor der Hitze kapituliert und schlendern gemächlich ihres Weges. Doch sobald auch nur ein Neugieriger stehen bleibt und mit den Fingern an den kunterbunten Buchrücken entlangfährt, scheint der Bann gebrochen. Innerhalb weniger Minuten bildet sich eine kleine Menschentraube um den Bücherschrank, der sich in der Fußgängerzone von Duisdorf befindet und für alle zugänglich ist.

Der erste Offene Bücherschrank in Bonn wurde 2003 mit Förderung der Bürgerstiftung Bonn auf der Poppelsdorfer Allee aufgestellt. Seitdem wächst die Zahl kontinuierlich. Das Prinzip der Schränke ist so einfach wie genial: Bücher, die man selbst nicht mehr im Regal stehen haben möchte, können in den Schränken abgelegt werden, auf dass sie einen neuen Leser finden. Mittlerweile gibt es die literarischen Fundgruben unter anderem auf dem Brüser Berg, in der Südstadt, in der Altstadt, Endenich, in Vilich-Müldorf, Tannenbusch, Friesdorf und Röttgen. Das Duisdorfer Pendant eröffnete im November 2008. Und nicht nur die Bürgerstiftung initiiert das Angebot, auch Privatpersonen kümmern sich teilweise um die Schränke, so etwa am Alten Zoll.

Bücherschrank bietet Vielfalt und Abwechslung

"Ich finde den Bücherschrank sehr wichtig für unsere Nachbarschaft", sagt Martha Weber, während sie unter den grünen Bäumen am Schickshof steht. Die 88-Jährige nutze das Angebot zwar selbst nicht, weil sie, so betont sie mit einem Lachen, bereits genügend eigene Bücher im heimischen Wohnzimmer stehen habe. Trotzdem freue sie sich, dass es eine öffentliche Tauschbörse für Lektüre mitten im Ortsteil gebe.

Das bestätigt auch Studentin Luisa Sarstedt. "Ich habe auf Anhieb einige Romane entdeckt, die ich gerne mitnehmen würde", sagt die 21-jährige Agrarstudentin, die an diesem Tag durch Zufall auf den Bücherschrank Am Schickshof gestoßen ist. Sie sei eigentlich nur für eine Wohnungsbesichtigung in Duisdorf gewesen, erzählt sie. Sollte sie das Zimmer tatsächlich bekommen, wisse sie nun, wo sie immer wieder neue Bücher entdecken könne.

Vielfalt und Abwechslungsreichtum sind die Eigenschaften, die den Inhalt der beliebten Schränke wohl am besten beschreiben. So stehen in Duisdorf etwa Liebesromane von Jodi Picoult neben einer Autobiografie von Hillary Clinton, Klassiker wie Michael Blakes "Der mit dem Wolf tanzt" neben Geschichtsbüchern über Kaiser Ludwig II., Reiseführer über Schottland neben einer Sammlung französischer Gedichte. Wenn nicht schon auf den ersten, so wird spätestens auf den zweiten Blick deutlich, dass sich hier für jeden Lesegeschmack etwas wiederfindet. Manche Bücher sind in einem hervorragenden Zustand und könnten Neuware sein. Andere kommen zerlesen daher – vielleicht, weil sie von ihrem einstigen Eigentümer ganz besonders geliebt wurden.

Für Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand ist das Angebot auf dem Schickshof eine außergewöhnliche Bereicherung: "Bücherschränke bieten den Vorteil, sich einfach und niederschwellig mit Literatur versorgen zu können." Als besonderen Vorteil sieht sie die Standorte der Bücherschränke auf dem Hardtberg: "In Duisdorf und auf dem Brüser Berg kann man sich unter den Bäumen niederlassen und in den Büchern schmökern, und man findet dazu auch Gleichgesinnte, mit denen man über das Gelesene diskutieren kann."

Gleichgesinnte treffen an diesem Tag auch in Duisdorf aufeinander. "Der Bücherschrank ist eine gute Sache", sind sich drei Freundinnen einig, die ihre Mittagspause im Schatten verbringen. Sie hätten sich bereits über literarische Perlen wie Daniel Defoes "Robinson Crusoe", ein Kinderbuch über den "Karneval der Tiere" oder, so sagen sie mit einem Lachen, "peinliche Liebesschnulzen" gefreut. Nach Feierabend wollen sie einen weiteren Blick auf die Bücher werfen.

Vielleicht nehmen sie dann das ein oder andere Fundstück mit nach Hause. Und wenn ihnen doch nicht gefällt, was sie dort lesen werden? Dann liegt die Lösung in diesem Fall auf der Hand: "Einfach wieder zurückstellen. Dann macht es vielleicht den Nächsten glücklich."

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