Förderprogramm startet Ein Kümmerer für Medinghoven

Medinghoven · Ab Mai startet in Medinghoven das Förderprogramm „Zusammen im Quartier“. Es soll den Stadtteil nach vorn bringen.

 Blick auf Medinghoven: Dort leben besonders viele Hartz-IV-Empfänger und Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Blick auf Medinghoven: Dort leben besonders viele Hartz-IV-Empfänger und Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Foto: Stefan Knopp

In sozialen und wirtschaftlichen Notlagen ist das Stadtteilbüro der Diakonie eine Anlaufstelle für die Bewohner in Medinghoven. Seit 2005 bietet die Einrichtung in einer der LEG-Wohnungen an der Briandstraße Sozialberatung an und macht Stadtteilarbeit.

„Ein gravierendes Problem ist die Sprache“, stellen Reinhard Jansen und seine Kollegen vom Stadtteilbüro jeden Tag aufs Neue fest. „Und wenn der Deutschkurs mit Erfolg absolviert ist, bedeutet das nicht, dass die Erwachsenen auch unsere kulturellen Eigenarten verstehen.“

So sah sich Jansen beispielsweise mit der Frage konfrontiert, wann man sich in Deutschland die Hand gebe und wann nicht. „Ja, dafür gibt es doch eigentlich keine Regeln. Wie soll ich das erklären?“ Da werde einem bewusst, wie vielschichtig der Integrationsprozess ist.

„Der höchste Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zum gesamtstädtischen Durchschnitt lebt in Medinghoven. Es gibt einen deutlich höheren Anteil an Hartz-IV-Empfängern. Angesichts des Durchschnittsalters ist es einer der jüngsten Stadtteile. Aus dieser Gemengelage ergeben sich Probleme“, erläutert Diakonie-Geschäftsführer Ulrich Hamacher. „Für junge Männer zum Beispiel müssen mehr Angebote entwickelt werden. Da gibt es im Stadtteil nichts.“

Dieses Thema hat die Verwaltung in einem Gesamtpaket für Medinghoven auf dem Tisch. Zurzeit prüft sie, ob ein langfristiges Quartiersmanagement geeignet ist, positive Entwicklungen in diesem Stadtteil anzustoßen.

„Das kann jedoch nur Erfolg haben, wenn wir mit einem systematischen Ansatz seriös Daten erheben“, erläutert Andrea Steinhart, in der Verwaltung für Sozialplanung und Quartiersmanagement zuständig. „Leben im Viertel mehr Alte, mehr kinderreiche Familien, mehr Migranten, gibt es Randgruppen? Es wirken so viele Faktoren ineinander, die ich kennen muss, um steuern zu können.“

Das Nachbarschaftszentrum auf dem Brüser Berg beispielsweise funktioniere gut, weil viele der älteren Mitbürger dort ehrenamtlich tätig seien. „Könnte das Konzept auch in Medinghoven erfolgreich sein?“ Steinhart: Auch das werden wir prüfen. Auf jeden Fall sei Voraussetzung für die Erarbeitung von Lösungsansätzen, dass Probleme offen angesprochen werden.

Wegen des vergleichsweise günstigen Wohnraums habe Medinghoven die Funktion eines „Ankommensstadtteils, wie es ihn in jeder Stadt gibt“. Um aber die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und die passenden Maßnahmen zu ergreifen, müsse man sich auch die Biografie der Bewohner anschauen.

„Spätestens die dritte Generation wohnt nicht mehr dort, sondern will sich verbessern.“ In die alte Wohnung ziehen dann wieder Neuankömmlinge. „Das bedeutet, man sieht den Handlungserfolg der Präventionsarbeit nicht in Medinghoven, weil sie immer wieder von vorn beginnt, sondern da, wo die Leute hinziehen“, gibt Steinhart ein Beispiel für die komplexen Zusammenhänge.

„Seit 2013 haben wir Erfahrung im systematischen Quartiersmanagement“, so Steinhart. Für bis zu acht der 62 statistischen Bezirke Bonns hatte die Politik den Auftrag erteilt, ein Quartiersmanagement einzurichten. Fünf Projekte – in Pennenfeld, Lannesdorf, Mackeviertel, Auerberg und Neu-Tannenbusch – wurden bereits auf den Weg gebracht.

Die Sache ist, solche Projekte fallen bei der Kommune unter „freiwillige Leistungen“, da ist Geld bekanntermaßen eine knappe Ressource, wie Sozialamtsleiterin Gitte Sturm einräumt. Das heißt, die Verwaltung muss Fördermittel akquirieren.

Für Medinghoven wurde der Förderantrag aus dem NRW-Topf „Zusammen im Quartier – Kinder stärken – Zukunft sichern“ positiv beschieden. Zwei Jahre gibt es Geld für zwei neue Stellen, einen Sozialpädagogen und einen Sozialwissenschaftler.

Laut Ankündigung der Verwaltung hätten sie schon im Januar ihre Arbeit aufnehmen sollen, doch die Auswahl geeigneter Bewerber hat sich hingezogen. Nun startet das Projekt Anfang Mai.

Aufgaben des neuen Quartierskümmerers sind Kontaktpflege und Vernetzung. Kurzgefasst hat Quartiersmanagement die Aufgabe, Akteure aus Verwaltung, Politik, privater Wirtschaft, Vereinen – und die nicht organisierten Anwohner – zusammenzubringen.

Ziel ist, dass die Bewohner eines Stadtteils aktiv am Verbesserungsprozess teilnehmen. Der Sozialwissenschaftler soll relevante Daten und Informationen über die Stadtteilgesellschaft zusammentragen und analysieren. Beide Mitarbeiter sind in der Verwaltung unmittelbar dem Sachgebiet Sozialplanung zugeordnet.

Ob und wie es nach zwei Jahren weitergeht, „ist noch völlig offen“, betont Sozialamtsleiterin Gitte Sturm. „In den kommenden zwei Jahren soll getestet werden, ob dies der richtige Ansatz für Medinghoven ist.“ Ausdrücklich weist sie und auch Andrea Steinhart darauf hin, dass es ist ein langfristiger Prozess sei.

Daher sollten keine schnellen Ergebnisse erwartet werden. Diakonie-Geschäftsführer Hamacher sieht eine Chance zur Erneuerung des Stadtteils „nur in einer kontinuierlichen Arbeit mit guter Vernetzung vor Ort“. Er kündigt an, dass sich die Diakonie im Falle einer weiteren Ausschreibung in zwei Jahren für das Quartiersmanagement bewerben wird.

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