Verteidigungsministerium Die Hardthöhe ist eine Stadt in der Stadt

Hardthöhe · Mehr als 5000 Menschen bevölkern die Hardthöhe. Entsprechend vielseitig ist der Alltag dort. Der Bund investiert in den nächsten Jahren Millionen.

 Wunderschöne Bilder von der Hardthöhe heute.

Wunderschöne Bilder von der Hardthöhe heute.

Foto: Benjamin Westhoff

Bitte keine Missverständnisse: Das Schleppen von Autoreifen und Stemmen von Baumstämmen gehört im Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe nicht zum Dienstalltag. Wenn jemand ein T-Shirt mit der Aufschrift „Sportkameradin“ trägt, gilt diese Regel aber offenbar nicht mehr. Denn nichts anderes tut die zierlich gebaute Marineoffizierin da gerade auf dem Sportfeld in Sichtweite zum Wachzaun. Für Aufsehen sorgt sie dabei nicht. Immerhin ist die „Pflicht zur Gesunderhaltung“ in Gestalt von Paragraf 17 fester Bestandteil des Soldatengesetzes. Sport ist bei der Truppe also Programm und schlägt sich dementsprechend auch im Dienst auf der Hardthöhe nieder. Im dortigen Alltag indes ist es nur eine Facette von vielen, wie ein ausführlicher Spaziergang über die Liegenschaft zeigt.

Was längst eine kleine Stadt in der Stadt ist, muss einst ein lauschiger Ort gewesen sein. Am Wegekreuz „An de vier Bööm“ dürfte so manche Prozession geendet, mancher Bauer angehalten und für eine gute Ernte gebetet haben. Heute führt das Kreuz unter den Linden ein Schattendasein hinter der Hauptwache. Aber immerhin: Mit seiner Inschrift „Im Kreuz ist Heil“ hat es die wechselvolle deutsche Geschichte, Kriege und Wiederbewaffnung, Hauptstadtzeit und Berlin-Umzug gut überstanden. Was nicht für das Casino nebenan gilt, in dem Minister früher zu Empfängen luden. An seiner Stelle klafft eine Lücke, die ab 2019 die neue Behördenkantine schließen wird. Der Weg dorthin wird für die siebenköpfige Belegschaft der Bibliothek dann besonders kurz sein. Denn sie halten nur wenige Meter entfernt – organisiert in Fachinformationszentrum der Bundeswehr und die Bibliothek des Ministeriums – rund 200 000 Bücher sowie eine Vielzahl an Fachzeitschriften bereit.

Verteidigungsministerium ist nicht die einzige Dienststelle

Die wenigen Stationen auf engstem Raum geben eine Ahnung davon, wie unterschiedlich die Facetten ausfallen können, wenn jemand sagt: Ich arbeite auf der Hardthöhe. Auch wenn die Erhebung am westlichen Stadtrand generell vor allem mit dem Verteidigungsministerium identifiziert wird und dessen erster Dienstsitz der „Taktgeber“ für die weitere Entwicklung des Standorts bleibt, so ist dies längst nicht die einzige Dienststelle, die hinter dem grün gestrichenen Zaun ihren Sitz hat. Tatsächlich ist ein gutes Dutzend größerer und kleinerer Behörden hier versammelt, die naturgemäß einen mehr oder weniger direkten Bezug zur Bundeswehr haben. „Neben dem Ministerium stellen vor allem das Kommando Streitkräftebasis (KdoSKB), das Bundesamt für Infrastruktur der Bundeswehr (BAIUD) sowie das Streitkräfteamt (SKA) die meisten Dienstposten“, sagt Pressestabsoffizier Oberstleutnant Ulrich Fonrobert. Mögen schon diese Begriffe auf den Laien wie ein Buch mit sieben Siegeln wirken, so bietet zumindest die Architektur Anschauungsmaterial, wie sich die Hardthöhe im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt hat. Zu erkennen ist das etwa anhand von Straßenzügen, ehemaligen Begrenzungsmauern und deutlichen architektonischen Unterschieden zwischen den Gebäuden. Das älteste noch existierende Gebäude stammt dabei aus den 1930er Jahren – ein ehemaliges Wohnhaus aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als die Hardthöhe als Gefangenenlager diente. Später hatten hier der evangelische und der katholische Militärseelsorger ihren Sitz.

Eine Handvoll Soldaten unterschiedlichster Altersgruppen und Dienstgrade ist derweil in einen unscheinbaren Zweckbau eingerückt. Wer den militärischen Bezug der Hardthöhe zwischen den Bürogebäuden bereits verdrängt hat, den holen Flecktarn-Uniform und Waffen in die Realität zurück. Und nicht nur das: Im Inneren des Gebäudes mit dem Charme einer Garage wird gleich tatsächlich geschossen. Zwar nicht „scharf“, doch mit originalen G 36-Sturmgewehren, die für ein computergestütztes Übungssystem umfunktioniert worden sind.

Abkürzungsaffine Bundeswehr

AGSHP, auch dies so ein Archetyp des abkürzungsaffinen Bundeswehrdeutschs in Reinform. Also: Ausbildungsgerät Schießsimulator Handwaffen/Panzerabwehrhandwaffen, so lautet die offizielle Bezeichnung für den Simulator, der im Wesentlichen aus mehreren Computern, einem Projektor und Bildschirmen als „Zielscheibe“ besteht. Über Sensoren lässt sich erkennen, wie der „Schuss“ im Ziel gelandet ist. „Wir sind hier beim Trockentraining. Das ist die Voraussetzung für die scharfe Schießausbildung“, erklärt der Hauptfeldwebel, der als Ausbilder der Gruppe eingeteilt ist. Ziel der eineinhalbstündigen Übungseinheit ist es, bei Sicherheitsbestimmungen und Handhabung der Waffen in Übung zu bleiben, um auf der Schießbahn keine Komplikationen zu erleben. Dann geht es los. Nacheinander geben die Kameraden ihre Schüsse ab, dann folgt die Trefferanalyse.

Wer militärische Umgangsformen sucht, ist außerdem bei den Feldjägern richtig: Eine Kompanie wird auf der Hardthöhe vorgehalten und ist gezielt mit der Absicherung des ersten Dienstsitzes betraut. Der klassische Wachdienst wird, wie in fast allen Bundeswehrliegenschaften, auch auf der Hardthöhe längst von einer zivilen Firma übernommen.

Während es beim AGSHP allmählich ernst wird, sind mehrere Zivilangestellte nebenan mit etwas ganz anderem beschäftigt: Ein Stadtteil mit 5500 „Einwohnern“ erzeugt Müll. Und der will getrennt werden. „Alles was entsorgt werden muss, kommt hier an“, sagt ein Mitarbeiter, der sich mit zwei Kollegen um die Abwicklung kümmert. Allein von 250 bis 300 Säcken Papier weiß er zu berichten, die bei ihm ankommen – täglich. Wie auf einem kommunalen Wertstoffhof reihen sich draußen die Container aneinander – für Papier, Holz, Metall und Elektroschrott. Das Papier wird zu kleinen Pellets gepresst und von einer privaten Entsorgungsfirma abgeholt.

Zwei Parkhäuser müssen weichen

Ein Stück weiter finden sich der Sanitätsbereich mit seinem Facharztzentrum, ein Stück der Berliner Mauer, jede Menge „Kunst am Bau“, die Zentraldruckerei und das Rechenzentrum der Bundeswehr, das Besucherzentrum zum Empfang von Schülern, Studenten und anderen Gästen. Zwischenzeitlich war es geplant, die nahe Südwache am Brüser Damm zur Haupteinfahrt für das Ministerium zu machen. Dass dieser Plan inzwischen aufgegeben wurde, ändert nichts daran, dass die in der Nähe liegenden Parkhäuser demnächst völlig neu strukturiert werden: „Zwei Parkhäuser werden ersatzlos entfernt, dafür wird ein Bestehendes in erweiterter Form neu errichtet“, erklärt der Kasernenkommandant, während sich Mitarbeiter der „Geländebetreuung“, also dem eigenen Grünflächenamt, um die Bewässerung der umliegenden Sträucher kümmern.

Weil eine Armee und ihre Verwaltung mobil sein müssen, gibt es den Bw Fuhrparkservice. „Seit 2002 betreiben wir den Fuhrpark der zivilen Fahrzeuge der Bundeswehr“, erklärt der zuständige Teamleiter. Seit Februar 2017 ist das Dispositionszentrum West von der Hardthöhe aus dafür verantwortlich, dass in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland die Dienstwagen dort zur Verfügung stehen, wo sie benötigt und per elektronischem Abruf angefordert werden. Acht Disponenten kümmern sich um knapp 750 Fahrzeuge in der „Kurzzeitnutzung“. Zählt man die Autos in der Langzeitnutzung hinzu, verwaltet der Bw Fuhrparkservice in der Region rund 9000 Fahrzeuge. Hinzu kommen Chauffeurdienste für hochrangige Soldaten und Ministerialbeamte. 30 Fahrer stehen allein für den Dienstbetrieb in Bonn bereit. Sie fahren auch vor, wenn in den Kreuzbauten, dem Herzstück des Verteidigungsministeriums mit dem vorgelagerten Ministertrakt, eine Limousine gebraucht wird. Mancher Verteidigungsminister verließ hier sein Büro zum allerletzten Mal – bevor auf dem davor liegenden Münchener Platz mit Großem Zapfenstreich ein Wechsel vollzogen wurde.

Ideale Bedingungen, um fit zu bleiben

Heute wechselt im Hintergrund bloß ein Volleyball die Seiten des Netzes. Beachvolleyball während der Arbeitszeit – das darf durchaus als Privileg für Bundeswehrangehörige verstanden werden. Da sind sie wieder, die soldatischen Pflichten wie Gehorsam, Kameradschaft und eben Aufrechterhaltung der Gesundheit. „Die Sporthalle ist zwar oft belegt, ansonsten sind die Bedingungen ideal, zum Beispiel in Gymnastikhalle und Fitnessbereich“, sagt ein Soldat.

„Vorsicht, in der Lautsprecherbox an der Grillhütte hat sich ein Hornissenschwarm eingenistet“, warnt Ulrich Fonrobert und deutet auf ein Absperrband. So zieht also die neueste Errungenschaft der Hardthöhe die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Richtig, die Autoreifen und Baumstämme. Ein kanadischer Hersteller hat die mobile Kraftsportanlage entwickelt, die per Anhänger transportabel ist und sich wie die Soldaten in Auslandseinsätzen bewähren soll. Ein Modell findet sich derweil bis auf weiteres auf der Hardthöhe. Sofern demnächst in Zusammenhang mit der deutschen Verteidigungspolitik mal wieder von „Klimmzügen“ und „Kraftakten“ die Rede ist, muss dies also nicht unbedingt eine Metapher sein.

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