Missstände bei der S 23 Bahn ist von den Mängeln selbst schockiert

Hardtberg · Die Kritik an den Zuständen auf der Bahnstrecke Bonn-Euskirchen (S 23) reißt nicht ab. Das bekamen Vertreter der Bahn-Tochter DB Regio und des Zweckverbands Nahverkehr Rheinland (NVR) jetzt im Planungs- und Verkehrsausschuss des Rhein-Sieg-Kreises zu spüren.

Alle Fraktionen monierten die Qualität der neuen Züge, die Verspätungen und Zugausfälle, übten aber auch an der Konstruktion des Fahrplans Kritik. Teilweise wurden auch die Ausschreibungsmodalitäten für Bahnstrecken in Frage gestellt - zumal es nicht das erste Mal ist, dass Bahn und NVR im laufenden Betrieb Mängel ausbügeln müssen.

Im Stadtbezirk Hardtberg, der ebenfalls von den Unzulänglichkeiten massiv betroffen ist, wurde die Sache in der jüngsten Sitzung der Bezirkspolitiker nicht zum Thema gemacht - sieht man von einem Sachstandsbericht ab, der ohne Diskussion zur Kenntnis genommen wurde.

Die Bonner SPD-Ratsfraktion hat derweil gefordert, die S 23-Fahrpläne schon zum "kleinen" Fahrplanwechsel Mitte Juni wieder zu ändern und darauf zu drängen, dass ausreichend Fahrzeuge mit der zugesagten Platzkapazität eingesetzt werden. Darauf reagierte Grünen Ratsherr-Rolf Beu mit bitterer Ironie: Da könne man auch beschließen, dass Ende Juni mindestens ein Meter Schnee liegt.

Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember sind auf der Voreifelstrecke alle vier neuen Haltepunkte (Auf dem Hügel, Helmholtzstraße, Impekoven, Rheinbach-Römerkanal) in Betrieb. Die neuen Züge vom Typ Coradia Lint fielen bislang durch technische Probleme auf, etwa in Form von losen Heizschläuchen, defekten Getrieben oder durch nur sehr langsam öffnende Türen. Die Folge: verlängerte Fahrzeiten, Verspätungen, Ausfälle, verpasste Anschlüsse. Die Pendler sind stinksauer - zurecht, wie Vertreter der Kreistagsfraktionen betonten.

"Wir müssen aufpassen, dass uns die Fahrgäste nicht flöten gehen", warnte Oliver Krauß (CDU) aus Alfter. "Es ist unglaublich, dass nicht ausreichend getestete neue Züge auf die Schiene geschickt werden", protestierte Dietmar Tendler (SPD). "Der neue Zug ist nicht schnell genug, er kann den in der Ausschreibung geforderten Fahrplan nicht einhalten", erklärte Michael Schroerlücke (Grüne).

Dirk Helfert, Leiter der Abteilung Verkehrsbetrieb Rheinland bei der DB Regio, zeigte sich selbst "komplett schockiert" über die technischen Mängel am Coradia Lint. "Wir sind mit dem Hersteller Alstom intensiv im Gespräch", sagte er. Bislang seien der Firma 455 Anträge aufgrund von Gewährleistungsmängeln vorgelegt worden, so Helfert weiter. Etwa bei der Hälfte der Fahrzeuge sei bislang nach Rückrufaktionen das jeweilige Problem überarbeitet worden, der Rest folgt noch.

Die Bahn kann den Hersteller für die Pannen und Ausfälle in Regress nehmen, muss ihrerseits aber auch Vertragsstrafen an den NVR entrichten. Der NVR hat laut Geschäftsführer Norbert Reinkober auf diese Weise im vergangenen Jahr "einen fast zweistelligen Millionenbetrag" eingenommen. Das Geld soll den Fahrgästen im gesamten Verbundgebiet zugute kommen, etwa in Form von Zusatzangeboten.

"Unterm Strich zahlen wir bei diesem Geschäft drauf", sagte Helfert. Er verwies darauf, dass auch die Bahn nachgebessert habe: etwa bei der Fahrgastinformation oder durch zusätzliches Personal beim morgendlichen Betriebsbeginn. Denn die technischen Probleme machen sich vor allem beim Start der Fahrzeuge bemerkbar.

Der Forderung von Oliver Krauß, das schnellere - seit 1998 eingesetzte - Zugmodell "Talent" wieder auf der Strecke einzusetzen, erteilte Helfert eine Absage: "Das wäre keine Dauerlösung, weil die entsprechenden Motoren in Zukunft nicht mehr gebaut werden."

Unwahrscheinlich ist auch der Einsatz eines Sprinterzugs zwischen Bonn und Euskirchen, der bestimmte Haltepunkte auslässt: Das wäre gerade nach dem Bau der neuen Bahnhöfe ein falsches Signal, warnte Reinkober. Außerdem würde ein solcher Zug unterm Strich keine Fahrzeit gewinnen, weil das die teilweise noch eingleisige Strecke nicht hergibt.

So bestand Einigkeit zwischen Ausschuss, NVR und DB Regio darüber, dass nur der durchgehende zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Voreifelstrecke Abhilfe schaffen können. Beides ist jedoch noch lange nicht in Sicht.

Fahrgastverband fordert Entschädigung

Geht es nach dem Fahrgastverband Pro Bahn sollte die Deutsche Bahn (DB) Regio NRW die von Ausfällen und Verspätungen betroffenen Reisenden schleunigst und angemessen entschädigen.

"Der zwischenzeitlich entstandene Schaden für die Betroffenen ist immens: viele Stunden Zeitverlust, geplatzte Termine, volle Züge, in die niemand mehr hineinpasst, und oft langes Warten an zugigen Bahnsteigen ohne die dafür notwendigen Informationen", sagt Klaus Groß, Vorsitzender von Pro Bahn Rhein-Sieg. Viele Pendler benutzten deshalb zurzeit lieber ihre Pkw, obwohl sie teure Job-Tickets oder Monatstickets im Abonnement besäßen.

Daher fordere Pro Bahn von der DB Regio NRW eine Entschädigung in Form einer Treueprämie, die bei Abo-Kunden 100 Euro nicht unterschreiten sollte, so Groß, und weiter: "Zudem muss die DB unverzüglich bis zu einer anderen Lösung ersatzweise Altfahrzeuge einsetzen."

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