Ein Trauma fürs Leben Frühe Belastungsstörungen können Menschen bis ins hohe Alter verfolgen

BONN · Menschen, die Ereignisse katastrophalen Ausmaßes erleben, können eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln, mit oftmals schwerwiegenden Folgen. Zwei neue Selbsthilfegruppen bieten Betroffenen die Möglichkeit zum Austausch. Ihre Schwerpunkte: "Gewalterfahrungen und Nachkriegskindheit" und "Alkoholsucht in Folge einer Traumatisierung".

Eine schlechte Note in der Schule genügte, dann kam das Tribunal zusammen. Die Strafe bestand aus Schlägen. Die Mutter verhängte das Urteil, der Vater führte es aus. "Ein deutscher Junger weint nicht, hieß es", sagte Walter Gebauer (Name von der Redaktion geändert), der im Nachkriegsdeutschland aufwuchs.

Er selbst erlebte die Bomben nicht, dennoch gehört er zu den Opfern der menschenverachtenden Nazi-Ideologie. "Ich leide bis heute unter sozialen Ängsten", so Gebauer. Schon die Vorstellung, vor Menschen zu treten, bedeuten für ihn enormen Stress. Die Angst, nicht zu funktionieren, verursacht Herzrasen, Schweißausbrüche.

"Man kann davon ausgehen, dass bis zu 50 Prozent der Menschen, die ein traumatisches Erlebnis hatten, eine chronifizierte Störung, eine PTBS, entwickeln. Insbesondere bei sexualisierter Gewalterfahrung liegen die Zahlen im höheren Bereich", erläutert der Krefelder Psychotraumatologe Professor Robert Bering.

Gebauers Vater war Lehrer in der "Napola", der Eliteschule der Nationalsozialisten. "Es waren meine Eltern, diejenigen, die mich eigentlich beschützen sollten, die mir Gewalt angetan haben", so Gebauer. Lange Zeit lagen die Erinnerungen an seine Kindheit verborgen. Eine Zeit, in der Gebauer "funktionierte". Erst nach 40 Jahren holte ihn das Trauma seiner Kindheit ein.

"Dass die Symptome erst viel später auftreten, kann durchaus passieren", erklärt Bering. Menschen, die unter PTBS leiden, entwickelten verschiedene Symptome. Dazu zählten häufig intensive Erinnerungen, in denen Ereignisse unwillkürlich wiedererlebt werden. Oftmals litten die Betroffenen unter einer Übererregbarkeit mit Konzentrations- und Schlafstörungen oder sie legen ein Vermeidungsverhalten an den Tag, wobei Alkohol eine wichtige Rolle spiele.

Martin Weilert (Name geändert), 60, war 18, als er begann, regelmäßig zu trinken. Er wollte vergessen, was ihm angetan wurde: Als seine Eltern sich scheiden ließen, kam er Mitte der 60er Jahre in ein Internat, wo sein Martyrium begann. Regelmäßig wurde er in der evangelischen Einrichtung von dem Stubenältesten geschlagen, sogar sexuell misshandelt. Bald wurde der Alkohol zur Gewohnheit, das Trinken zur Flucht.

Um die Sprachlosigkeit zu durchbrechen, tauschen sich Gebauer und Weilert in Selbsthilfegruppen mit Leidensgenossen aus: "Nachkriegskindheit mit Gewalterfahrungen" lautet das Thema der einen, "Trauma und Abhängigkeit" das der anderen Gruppe.

Info: Weitere Infos unter 0228/9145917 und unter selbsthilfe-bonn@paritaet-nrw.org

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