Alter Schlachthof in der Weststadt Zentrum für Popmusik doch nicht in Bonn?

BONN · Besonders zufrieden sahen Dirk Langenfeld, Thomas Kläser und Holger Jan Schmidt nicht aus, als sie am Dienstagabend die Sitzung des Ratsausschusses für Wirtschaftsförderung verließen.

 Vor mehr als zwei Jahren zog die letzte Firma aus, seitdem ist das Schlachthofgelände an der Immenburgstraße verwaist.

Vor mehr als zwei Jahren zog die letzte Firma aus, seitdem ist das Schlachthofgelände an der Immenburgstraße verwaist.

Foto: Roland Kohls

Seit mehr als zwei Jahren verhandelt eine Investorengruppe, zu der sie gehören, mit der Stadt über ein Grundstück auf dem alten Schlachthofgelände an der Immenburgstraße, um dort ein "Kompetenzzentrum für Popkultur" zu bauen. Seit September 2014 liegt der Stadt ein Kaufangebot vor.

Seitdem wartet die Gruppe auf Antwort. Die bekam sie auch im Ausschuss noch nicht, wo die Ratskoalition das Thema per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung gehoben hatte. "Das ist ein schleppendes Verfahren", kritisierte Kläser nach der Sitzung. Inzwischen prüfe die Gruppe Alternativstandorte, zwei davon außerhalb Bonns. Auch mit den Eigentümern des früheren Arkema-Geländes an der Siemensstraße (Projekt "West.Side") wird offenbar verhandelt.

Die Gruppe um Kläser plant auf rund 10.000 Quadratmetern eine Probe- und Veranstaltungshalle für 1500 Besucher (stehend) beziehungsweise 800 Besucher (sitzend). Das ehemalige Verwaltungsgebäude an der Immenburgstraße würde für Büros und Seminarräume genutzt - wenn der Verfall nicht schon zu weit fortgeschritten sein sollte.

Die Halle dahinter soll ihre Vorderfassade behalten, ansonsten aber binnen eines Jahres in Systembauweise neu errichtet werden. Jährlich plant die Gruppe dort rund 70 Pop- und Rockkonzerte sowie etwa 70 Proben für Tourneevorbereitungen. Auf dem Gelände sind rund 300 Autostellplätze vorgesehen. Die Investoren wollen nach eigenen Angaben fünf Millionen Euro in das Projekt stecken.

"Wir rechnen mit 70.000 bis 90.000 Besuchern im Jahr", sagte Holger Jan Schmidt, Geschäftsführer der Agentur Bonn Promotion Department, besser bekannt als früherer Rheinkultur-Macher. Eine Konzerthalle in dieser Größenkategorie gebe es bisher weder in Bonn noch in Köln oder den benachbarten Kreisen. In Köln seien zum Beispiel E-Werk und Palladium deutlich größer, die Live Music Hall mit rund 1200 Stehplätzen ein ganzes Stück kleiner.

Die Größe spielt für Konzertveranstalter bei der Auslastung eine wichtige Rolle. Auch die Beethovenhalle bietet ohne Bestuhlung viel mehr stehenden Besuchern Platz als der Schlachthof-Neubau, argumentierte Schmidt. Und das geplante Beethoven-Festspielhaus sehe er ohnehin nicht als passenden Ort für Rock- und Popkonzerte. "Wir wollen keinerlei Zuschüsse von der Stadt", versicherte Schmidt.

Im Ausschuss begründete die Stadtverwaltung, die den Verkauf grundsätzlich befürwortet, das langwierige Verfahren mit Planungsänderungen, die zu berücksichtigen gewesen seien. "Seit Dezember liegt alles vor, was wir brauchen", erklärte Alfred Beißel von der Stabsstelle Liegenschaftsmanagement. Bis nächste Woche erwarte er das Wertgutachten für das Grundstück, dann werde verhandelt. Auf Druck der Grünen sagte Beißel zu, in der nächsten Sitzung am 4. März eine Beschlussvorlage mitzubringen.

"Wir dürfen uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen", forderte Stefan Freitag (Grüne). Achim Schröder (FDP) erinnerte daran, dass die Stadt die früheren Mieter des Schlachthofs gekündigt habe, um das Gesamtgelände zügig neu zu gestalten (siehe Info-Kasten). Er sprach ein Gerücht an, die Stadt wolle das Gelände möglicherweise für einen Neubau der Stadtreinigung "Bonnorange" selbst nutzen. "Dann sagen Sie das offen", verlangte Schröder. "Spielen Sie nicht auf Zeit." Planungsdezernent Werner Wingenfeld antwortete mit Kopfschütteln.

Der Alte Schlachthof

Das Gelände ist rund 28.600 Quadratmeter groß. Der vor mehr als 100 Jahren gegründete Schlachthof wurde bis in die 90er Jahre hinein genutzt; danach siedelten sich rund 70 Betriebe im "Gewerbe- und Gründungszentrum" an. Da die Gebäude immer mehr verfielen und eine Sanierung mit rund 20 Millionen Euro zu teuer erschien, entschloss sich die Stadt, das Areal zu räumen und zu verkaufen.

Ende 2012 musste die Firma "Italia Import" als letzter Mieter gehen. Neben dem Pop-Zentrum könnte sich nun ein Fassadenhersteller ansiedeln, der laut Verwaltung rund 5000 Quadratmeter kaufen will.

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