Verpoorten in Bonn Pro Tag werden eine Million Eier aufgeschlagen
BONN · Was wäre Ostern ohne Eier? Liegt bei den Kindern vielleicht eine Handvoll im Nest, werden bei einer Bonner Firma die Eier mit Lastwagen voller Paletten angeliefert.
Sie werden nicht hart gekocht und gefärbt, sondern aufgeschlagen. Bis zu einer Million am Tag. Verpoorten produziert den bekannten Eierlikör.
"Alle anderen kaufen flüssiges Ei", sagt Firmenchef William Verpoorten. "Wir nicht. Wir wollen die Trauben im Wein kennen." Beim wichtigsten Rohstoff im Likör handele es sich um Eier der Güteklasse A aus Bodenhaltung.
"Sie stammen alle aus kontrollierter, alternativer Tierhaltung" (KAT-Zertifizierung). Stimmt der Preis, kaufen die Bonner im großen Stil bei ihren Bauern aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Belgien und den Niederlanden zwischen 100 und 200 Millionen Eier ein. Ein Promille davon wandert dabei ins Labor.
"Ich kontrolliere erst das Gewicht", sagt Kläre Hertel, Chemotechnikerin und seit 25 Jahren im Familienbetrieb, in dem zurzeit 85 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dann schlägt sie das Ei auf, um mit einem Wegemesser die Höhe des Eiklars zu messen. Je mehr das auseinanderläuft, desto weniger frisch ist das Ei.
Schmiegt es sich wie eine gallertartige Blase um den Dotter, dann ist es frisch. Hier die richtige Konsistenz zu finden, ist wichtig, damit die Eieraufschlagmaschine nachher auch in Windeseile alles trennen kann. Modernste Gaschromatographen und Massenspektrometer finden jede Unreinheit in Minuten.
"Dafür hat eine Laborantin früher einen ganzen Tag gebraucht", sagt Verpoorten, der in allen Arbeitsschritten Wert auf Hygiene legt. "Die Geräte sind so sensibel, dass sie drei in den Bodensee geworfene Stücke Zucker finden würden."
Auch wenn sie beruflich bis zu 700 Eier am Tag von Hand öffnet, hat Kläre Hertel ihren Appetit darauf nicht verloren. Nach der Laborarbeit gibt's reichlich Rührei, und zu Hause darf das Frühstücksei auch nicht fehlen.
Gut gekühlt seien Eier übrigens wochenlang haltbar. Die Eier auf ihren Papphöckern werden mit Gummisaugnäpfen auf ein konkaves Rollband gehoben und damit quergelegt, bevor sie in die Halterung von einer der sechs für die Firma speziell entwickelten Aufschlagmaschinen gelangen.
Von unten werden sie aufgeschlagen, dann läuft alles in eine Edelstahltasse, in der am Ende nur der Dotter liegt - wie ein orangefarbener Tischtennisball. Eine Kamera, die drei Bilder pro Sekunde schießt, überprüft, ob beim Aufschlagen alles glatt ging. Haben sich dann doch mal Gelb und Weiß vermischt, geht später das Vollei in die Backwarenproduktion.
Genau wie das aufgefangene Eiweiß selbst, das fermentiert, eingedickt und pasteurisiert wird. "Es geht gut getrocknet als Granulat an Konditoren", sagt Verpoorten. Es hat dann nur noch zehn Prozent seines früheren Volumens und eignet sich für Baiser oder Schokoküsse.
Das Eigelb wird über Kühlschlangen schnell auf vier Grad gebracht und kommt dann mit konservierendem Zucker in 500-Liter-Tanks. Nichts wird weggeschmissen, wie Sandra Dülpers, zuständig fürs Marketing, versichert. Selbst die Eierschalen gehen in die Landwirtschaft zur Verbesserung der Bodenqualität.
In den nächsten Tanks entsteht der fertige Likör, es findet die Bindung aller Zutaten statt - ohne Chemie, wie Verpoorten sagt. Nach dem Erhitzen auf mehr als 60 Grad fließt das gelbe Getränk in die 14 Tanks im Keller, von denen jeder 60 000 Liter fasst.
Bei der Abfüllung wird jede Flasche gewogen und dann die richtige Menge eingefüllt. An einem Code ist genau abzulesen, aus welcher Fuhre die Eier im Likör stammen. Nur noch in Kartons verpacken und dann auf Paletten ab ins Lager, wo bis zu 4,5 Millionen Flaschen Platz haben. Doch schon bald wandert alles in die Supermarktregale.
Der Likör wird gern pur getrunken, oder man verfeinert damit Süßspeisen. William Verpoorten mag ihn gern auf Walnusseis. Im Hof steht bereits eine neue Lieferung Flaschen aus recyceltem Glas. Großkunden wie Kuchen-, Pralinen- oder Schokoeihersteller bekommen Bonns Likör in 1000-Liter-Edelstahlcontainern geliefert. Für Daheim gibt's Flaschen von 0,1 bis einem Liter. Auch zu Ostern.
Das Unternehmen Verpoorten
Eugen Verpoorten hat die Firma 1876 in Heinsberg bei Aachen gegründet , der Umzug nach Berlin erfolgte 1920. Der Eierlikör wird seit 138 Jahren nach einem Familienrezept hergestellt. Hauptbestandteile sind Eigelb, Zucker und Alkohol und "eine Formel X", wie William Verpoorten sagt. Das genaue Rezept will der Firmenchef in fünfter Generation nicht verraten.
Es sind allerdings keine Milchprodukte im Likör, der 20 Prozent Alkoholgehalt hat und in 30 Exportmärkte verkauft wird. Nur die Chinesen und die für Ausländisches nur schwer zu begeisternden Franzosen kennen das Getränk nicht.
An den Potsdamer Platz nach Bonn kam Verpoorten 1952, als die Stadt "problemlose Industrie suchte", so der Inhaber. Die Berliner Produktion wurde 1994 nach Bonn verlagert. Bis heute hat sich der Slogan "Ei, ei, ei Verpoorten, ob hier ob allerorten" gehalten, der 1961 aus dem Schlager "Ay, ay ay Maria, Maria aus Bahia" entstanden ist.
Der Likör geht auf ein alkoholisches Getränk zurück, das die Indianer aus der Avocado zubereiteten. Die Holländer nahmen die Idee 1654 mit auf den alten Kontinent und sprachen von Advocaat. Die Frucht ersetzten sie aber durch Eidotter.