Großer Andrang beim Patientenkolloquium der Uniklinik Liebeskummer ist nicht gleich Depression

BONN · Es geht weder vor noch zurück: Die Gänge im Großen Hörsaal des Biomedizinischen Zentrums des Universitätsklinikums Bonn (UKB) dienen am Donnerstagabend zahlreichen Besuchern des Patientenkolloquiums "Von der Angst zur Depression" als Sitzgelegenheit.

 Professor Thomas Schläpfer (rechts) hält seinen Vortrag in der Uniklinik.

Professor Thomas Schläpfer (rechts) hält seinen Vortrag in der Uniklinik.

Foto: Mühlens

Die bequemen Plätze mit Klapptischen sind längst besetzt. Mit dem Thema "Depression" scheint das UKB ein Thema getroffen zu haben, das viele Menschen bewegt.

Einmal im Monat lädt das UKB zu seinem Patientenkolloquium "Uni-Medizin für Sie: Mitten im Leben" ein, bei dem Mediziner verschiedene Themen beleuchten. "Es gibt viele Wege zur Depressionen: Bipolare Störungen, körperliche Krankheiten, Phobien, ein kindliches Trauma, Panikattacken, Burnout - aber auch Ängstlichkeit kann zu einer Depression führen", erklärte Prof. Wolfgang Maier von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Zusammen mit seinem Kollegen Prof. Thomas Schläpfer führte er durch den Abend.

Ängste kennt jeder, schließlich ist die Angst ein Urinstinkt und eine lebenserhaltende Reaktion des Körpers. "Ein häufiges Angsterleben intensiviert aber die Ängste und kann so dazu führen, dass die tatsächliche Einschätzung der Gefahr fehlerhaft ist", so Maier.

Im menschlichen Gehirn ist die Amygdala (übersetzt: Mandelkern)für die Entstehung der Angst verantwortlich. Sie analysiert Situationen und gibt dem Körper die entsprechenden Signale, ob er nun Angst haben muss oder nicht. Sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen dazu ein. "Manchen Menschen fehlt durch eine Erkrankung die Amygdala - diese Patienten sind tatsächlich angstfrei", berichtete Professor Maier. Wer Angst hat, schüttet das Stresshormon Cortisol aus. Damit davon nicht ganz so viel produziert wird, hat der Körper "Bremsen", die den Ausstoß regulieren sollen. "Bei Menschen, die sehr oft unter Ängsten leiden, “leiert„ diese Bremse aus, und es wird mehr Cortisol produziert", so Maier. Studien zeigen, dass Menschen mit einer Depression hohe Cortisol-Werte aufweisen.

"Wer Liebeskummer hat, hat nicht gleich eine Depression. Von einer Depression kann man erst sprechen, wenn es sich um eine Episode handelt, die länger als zwei Wochen anhält", erklärte Schläpfer, "dabei kann es zwischenzeitlich auch beschwerdefreie Wochen geben". Ganz wichtig sei der Unterschied zwischen Depression und Trauer. Während die Depression ein krankhaftes Geschehen ist, handelt es sich bei der Trauer um eine wichtige Reaktion des Körpers.

"Die Depression ist keine minderwertige Krankheit", stellte Schläpfer fest. Rund 20 Prozent aller Menschen erleben einmal eine depressive Phase. "Eine Depression kann jeden treffen, jederzeit, und sie hat viele Gesichter. Aber man kann sie behandeln", so Schläpfer. Bei all seinen Patienten, die unter Depressionen leiden, konnte er eine Anhedonie feststellen - die Unfähigkeit, Freude zu empfinden. Eine Anhedonie kann man schnell mit Hilfe einer einzigen Frage diagnostizieren: Auf was freuen Sie sich nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr? Menschen, die Freude empfinden, antworten schnell, unglückliche Menschen brauchen länger.

Das nächste Patientenkolloquium findet am 19. Februar zum Thema "Moderne Therapie bei Brustkrebs - Gibt es neue Hoffnung?" statt. Infos unter www.ukb.uni-bonn.de

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