Leerstehende Waldschenke zwangsversteigert Ehemaliges Gasthaus unterm Hammer

VENUSBERG · Dieses Haus steht immer noch so wie damals unter hohen, schattigen Bäumen, der Gastronomiebetrieb aber ist längst Geschichte: Die ehemalige Waldschenke auf dem Venusberg, an die sich womöglich selbst ältere Bonner kaum noch erinnern können, ließ jetzt noch einmal aufhorchen.

 Der Gesellschaftssaal der Waldschenke bot Platz für 264 Personen. Die einzige Ansicht, die im Bonner Stadtarchiv vorhanden ist, stammt vom Bild dieser Postkarte, die 1926 abgeschickt wurde.

Der Gesellschaftssaal der Waldschenke bot Platz für 264 Personen. Die einzige Ansicht, die im Bonner Stadtarchiv vorhanden ist, stammt vom Bild dieser Postkarte, die 1926 abgeschickt wurde.

Foto: Repro GA

Das 1912 gebaute Haus befindet sich am Hauweg, zwischen dem Verkaufsstand von Obst Schneider und dem "Spargeldenkmal" im Wald. Eigentlich ein günstiger Standort für eine Ausflugsgastronomie, zumindest solange es gleich nebenan noch den Fußballplatz des SC Bonn-West an der Casselsruhe gab. In seinem Buch "Venusberg - der Balkon von Bonn" schrieb der Ippendorfer Heimatforscher Bernhard Berzheim jedenfalls: "In den 50er Jahren standen manchmal 1000 Zuschauer bei den Lokalderbys am Fußballplatz, und viele besuchten anschließend die Gaststätte." Sie lag gleich neben dem Sportplatz.

Doch der Grund, nun über das Haus zu berichten, ist ein anderer: Es wurde im Juni dieses Jahres zwangsversteigert, auf Antrag eines Mitglieds der Erbengemeinschaft, wie der GA bei Gericht erfuhr. Zwei Bieter fanden sich zum Termin ein, am Ende ging das laut Wertgutachten auf 270.000 Euro taxierte Gebäude mit dem 2300 Quadratmeter großen Grundstück für 145.000 Euro weg. Allerdings musste die Käuferin sich zusätzlich verpflichten, eine Grundschuld von etlichen tausend Euro zu übernehmen.

Genutzt wurde das Gebäude schon lange nicht mehr als "Waldschenke". 1962 machte der Gastronomiebetrieb zu und wurde in ein Wohnhaus umgebaut. Insgesamt sind drei Wohnungen mit insgesamt 318 Quadratmeter Nutzfläche eingerichtet. Inzwischen verhindert dichter Bewuchs den Blick auf Haus und Grundstück vom Spazierweg aus.

Die Waldschenke entstand quasi in einem Zuge mit dem benachbarten Ex-Ausflugslokal Casselsruhe, das der Kessenicher Peter Velten 1862 als kleinen Getränkeausschank für Wanderer und Naturfreunde eröffnete. 1895 verkaufte Velten das inzwischen als größeres Fachwerkhaus errichtete Lokal an den Poppelsdorfer Jean Kessel, und um 1898 herum wird die damalige Waldschenke auf Postkarten als einfache Bretterbude dargestellt.

Für Familien schien sie aber eine besondere Anziehungskraft zu haben. Wie Berzheim in seinem Buch weiter schreibt, standen im Garten der Waldschenke eine acht Meter hohe Holzrutschbahn und viele Schaukeln, "weshalb die Wandschenke besonders bei den Kindern beliebter war als die Casselsruhe".

Jedenfalls betrieb Kessel beide Häuser bis zu seinem Tod 1940. Danach machten die Söhne weiter, einer übernahm 1958 die Casselsruhe, der andere die Waldschenke, in der die Kessels nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auch gewohnt hatten. Doch zwei Gastronomiebetriebe nebeneinander schien irgendwann nicht mehr zu funktionieren. Die Waldschenke machte 1962 zu und öffnete nie wieder für die Öffentlichkeit. Die Casselsruhe lief als Ausflugslokal mit dem angeschlossenen Minigolfplatz weiter bis zum Verkauf 1987 an die Steigenberger-Gruppe. Diese ließ die Altbauten abreißen und baute 1988 ein neues Hotel, das im Jahr 2000 von Dorint übernommen wurde.

Damit wäre die historische Seite fast erzählt. Ob die Waldschenke bei der Zwangsversteigerung ein Schnäppchen war, ist schwer zu beurteilen. Schließlich liegt gleich nebenan der Sendemast, was ein Nachteil bei der Vermarktung sein könnte. Außerdem befindet sich in der Nähe ein rätselhaftes Erbe aus der Jungsteinzeit - eine rund 6000 Jahre alte Wall-Graben-Anlage, die Forscher erst 1986/87 entdeckten. Gegraben wurde hier nicht. Insofern ist weiter unklar, ob es ein Handelsplatz oder eine rituelle Stätte war. Oder vielleicht doch eine erste, ganz frühe Gastronomie?

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