Amerikanische Siedlung in Tannenbusch Sogar die Möbel stehen unter Denkmalschutz

TANNENBUSCH · Die Küche passte wunderbar als Ausstellungsstück ins Haus der Geschichte, Abteilung Wirtschaftswunder. Die Einbauküche war damals, 1951, der Traum jeder Hausfrau. Es ist die Zeit von fewa-Waschmittel ( "Der Hausfrau guter Geist"), Progress-Haushaltsgeräten ("Hat Frau Irene zehn Hände...") und Zuban-Zigaretten ("Essen, Trinken und Rauchen - das hält Leib und Seele zusammen").

Und hier, im Haus Im Tannenbusch 20, scheint die Zeit stehen geblieben. Es sind noch dieselben elfenbeinfarbenen Fliesen an der Wand, der Terrazzo-Boden von damals. Rechts zwei ausziehbare Schneidebretter, links die praktischen Schränke inklusive Brotschrank mit Lüftungsschlitzen und einer Reihe Glasschütten für Salz, Mehl und andere Zutaten.

Die Arbeitsflächen sind gerademal Tischhoch, und das obwohl die Schränke auf einem Betonsockel stehen, umrahmt von einer Terrazzo-Fußleiste. Eine Traumküche für 50er-Jahre-Liebhaber. Sie steht unter Denkmalschutz - so wie alles in dieser Siedlung.

Die im Volksmund einfach "Amerikanische Siedlung" genannte HICOG-Siedlung (High Commissioner of Germany) ist eine von mehreren nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland entstandenen Wohngebiete für die Beschäftigten der Dienststelle des amerikanischen Hohen Kommissars für Deutschland.

1995, als über die Verdichtung des Gebiets nachgedacht wurde, wurde sie unter Denkmalschutz gestellt - samt Garagen, Wegeführungen und eben Einrichtungen. "Wir dürfen den Schnitt der Wohnungen nicht verändern", erläutert Thorsten Grützner von der Presse- und Kommunikationsabteilung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), der Eigentümerin der Anlage.

Selbst das Anbringen eines Starkstromanschlusses oder einer Telefonbuchse muss sich die Reiser Immobilien, die für die BImA die Häuser verwaltet und vermietet, von der Denkmalbehörde genehmigen lassen. "Das ist ein langwieriges Vorgehen. Für die Sanierung oder Renovierung dieser Wohnungen müssen wir mehrere Monate einkalkulieren", erklärt David Welsch von Reiser.

Denn jedes Mal müssen Ortstermine mit den Fachleuten vom Denkmalschutz vereinbart werden, die danach die Vorschläge prüfen. Bevor etwa solch eine Küche saniert wird, lassen die Denkmalschützer den exakten Farbton nach den Kriterien des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung definieren. Jedes defekte Teil muss von Fachschreinern nachgebaut werden.

Denn Ersatzteile gibt es freilich keine mehr. Welsch zeigt auf den Küchenboden. "Diese Unebenheit zum Beispiel dürfen wir nicht ausbessern, weil die Gefahr besteht, dass die Terrazzo-Fliese dabei zu Bruch geht." Ein anderes Problem ist die Größe der Küche: "Wenn wir hier einen Herd und einen Kühlschrank reinstellen, ist Schluss. Eine Spülmaschine ist jedenfalls nicht mehr drin.

Und das schreckt viele ab", so Welsch. Hinten, im sogenannten Elternschlafzimmer, steht ein Einbauschrank, ebenfalls noch ein Originalstück aus den 50er Jahren. Auch dieses Teil darf nicht verändert werden. Zusätzliche Einlegeböden? Nicht erlaubt. Die Tür zum Balkon wurde bereits unter den strengen Augen der Denkmalschützer fachmännisch verstärkt, weil die damalige Konstruktion sonst die eingesetzten Doppelglasscheiben nicht getragen hätte.

Dagegen ist das Badezimmer todschick modernisiert, weil sich nichts mehr retten ließ. Gegenüber dem Hochhaus, das damals zu den ersten Deutschlands gehörte, sind die Apartments mit den Laubengängen. Sieben von 40 Wohnungen stehen leer - mangels Interesse. "Der Schnitt der Wohnungen mit nur zwei Zimmern ist vielen zu unpraktisch. Und sie sind mit etwa 85 Quadratmetern wirklich groß und entsprechend teuer", so Grützner.

Sie wurden damals gebaut, um jeweils zwei Soldaten in einer Wohnung unterzubringen. Daher bestehen sie aus zwei großen Räumen, wo jeder sein eigenes Reich hatte, einem Bad und einer recht kleinen Küche. "Wer zahlt schon rund 800 Euro dafür?", fragt sich Grützner.

Viele der Mieter leben schon viele Jahrzehnte in dem Komplex, einige sogar etwa 60 Jahre, und zahlen entsprechend niedrige Mieten. Wenn eine frei wird, wird sie saniert und erst mal den Bundesbediensteten angeboten. Wenn sie nicht vermittelt wird, kommt sie auf den freien Wohnungsmarkt.

Noch schwieriger ist die Situation im Dormitory: Es sind praktisch nur Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -küche. Sie werden für etwa 75 Euro vermietet. "Aber wir können daran praktisch nichts machen, weil der Denkmalschutz jede Veränderung verbietet. Der Grundriss muss, wie in jedem anderen Objekt in der Siedlung, erhalten bleiben", so Grützner.

Solch ein Apartment etwa für Rollstuhlfahrer barrierefrei zu machen, scheitert schon daran, dass man keine breitere Haustüre einsetzen darf. Nachträglich Aufzüge in das fünfgeschossige Haus anzubauen, ist ebenfalls untersagt.

Die Sanierungen kosten Geld: 1,7 Millionen Euro ist das Investitionsvolumen nur für die BImA-Häuser im Tannenbusch. Insgesamt, so der BImA-Sprecher, sind für rund 1200 Wohnungen in Bonn bis 2017 fünf Millionen für Investitionen vorgesehen, weitere 7,1 Millionen für die Instandhaltung.

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