Über die Angst, über die Krankheit zu reden Seit 35 Jahren Hilfe für psychisch Kranke

BONN · Fast auf den Tag genau 35 Jahre ist es her, da gründete Hildegunt Schütt am 5. November 1980 mit anderen Angehörigen Kranker den Verein "Hilfe für psychisch Kranke Bonn/Rhein-Sieg" (HfpK ), weil sie für ihr Kind eine gute Zukunft erkämpfen wollte.

 Vize-Vorsitzender Uwe Flohr.

Vize-Vorsitzender Uwe Flohr.

Foto: Henry

"Wir waren damit sogar noch fünf Jahre früher als der ebenfalls in Bonn gegründete Bundesverband."

Der Dachverband für Gemeindepsychiatrie ist, wie berichtet, inzwischen nach Köln verzogen. Die ersten acht Jahre leistete Schütt, die mehrfache Mutter und Angehörige eines Kranken, als Vorsitzende tatkräftig Aufbauarbeit. "Und auch nach 35 Jahren ist das Reden über die Krankheit immer noch ein Tabu", sagt das Urgestein des Vereins bedauernd.

Der Freitod des Fußballtorhüters Robert Enke vor ein paar Jahren habe "die Tore ein wenig geöffnet", psychische Krankheiten zu thematisieren, fügen der aktuelle Vereinsvorsitzende Peter Breuer und sein Stellvertreter Uwe Flohr hinzu. "Aber jetzt ist das Thema schon wieder nur angstbesetzt. Dabei müssen wir doch gegen das Stigma angehen, um Betroffenen wie ihren Angehörigen zu helfen."

Genau das hat sich der Verein mit seinen heute 130 Mitgliedern und Förderern in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis auf die Fahnen geschrieben. Daran arbeiten die drei Vorstandsmitglieder unermüdlich: die Powerfrau Schütt, die bis heute fleißig Netzwerkarbeit leistet; dazu der Marketingexperte Flohr, der 2009 ebenfalls auf der Suche nach Hilfe für einen Angehörigen zum Verein stieß und seither sein Know-how mit Herzblut einbringt; und Breuer, "der Macher", der als ehemaliger Leiter einer psychiatrischen Einrichtung dem Verein seit 2012 die betriebswirtschaftliche Struktur verpasste und ein Qualitätsmanagement aufbaute.

Die drei berichten von den Einzel- und den Angehörigen-Gesprächen, der Beratungsarbeit, dem Krisentelefon in psychosozialen Notfällen, der Rechtsberatung sowie dem neuen offenen Begegnungscafé.

Gerne stellen sie auch ihre Projekte vor: das neue für "Sonnenkinder", für Kinder und Jugendliche mit psychisch kranken Eltern, das schon wunderbare Erfolge auch bei überlasteten Eltern erreicht habe, erläutert Breuer. Ein absoluter Renner für zahlreiche Schulen der Region sei das Projekt "Seele trifft Schule", ein Informationsprogramm für psychisch erkrankte junge Menschen, erklärt Flohr. Und die Vereinsgründerin Hildegunt Schütt zählt die Verdienste des externen Arbeitstrainings in Bonn auf, das so vielen Betroffenen schon zur Integration in den Arbeitsmarkt verholfen habe.

Sie lobt dabei die Geldgeber Sozialamt und Jobcenter. Der vormalige Amtsleiter Dieter Liminski habe bei der Vermittlung sehr geholfen, so Schütt. Für alle anderen Projekte sei man jedoch auf Spender und hoffentlich bald noch mehr ehrenamtliche jüngere Helfer angewiesen, ergänzt Breuer. "Ohne Moos nix los", sagt Flohr kurz und bündig.

Und wo wird sich der Verein weiter engagieren? "Für Flüchtlinge mit psychischen Problemen", antwortet Breuer. Alle Beratungsangebote stünden selbstverständlich auch für Migranten offen. Schon jetzt verzeichneten die Vereinsflyer in Arabisch, Russisch, Türkisch und Englisch reißenden Absatz.

Weitere Informationen und Kontakt zum Verein "Hilfe für psychisch Kranke Bonn/Rhein-Sieg" auf www.hfpk.de

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