Koranverteilung in Bonn Richter schützen Religionsfreiheit

BONN · Die Bonner Stadtverwaltung verfügt über keine rechtliche Handhabe, die Koranverteilungsaktionen der salafistischen Initiative "Lies!" zu unterbinden.

An diesem Stand wurden am Samstag in Tannenbusch wieder kostenlos Exemplare des Korans verteilt. Und die Stadt kann nichts dagegen unternehmen, wie die Gerichte nun entschieden.

An diesem Stand wurden am Samstag in Tannenbusch wieder kostenlos Exemplare des Korans verteilt. Und die Stadt kann nichts dagegen unternehmen, wie die Gerichte nun entschieden.

Foto: Horst Müller

Entsprechend rege präsentierten sich deren Vertreter in den vergangenen Wochen und Monaten in verschiedenen Bonner Stadtteilen. Am vergangenen Samstag wurden beispielsweise in Tannenbusch-Mitte fleißig Exemplare des Korans unters Volk gebracht, in den Wochen zuvor sah man die Salafisten häufig in den Fußgängerzonen von Bonn und Bad Godesberg.

Kaum ein Tag vergeht inzwischen, an dem die Sicherheitsbehörden nicht vor den Aktivitäten radikaler Salafisten in Deutschland warnen. Thematisiert werden dabei regelmäßig auch die kostenlosen Koranverteilungen durch die Missionsorganisation "Die wahre Religion". Ihren Sinn und Zweck beurteilen die Verfassungsschutzorgane des Bundes und der Länder weitgehend übereinstimmend: Demnach beschere die Aktion den Salafisten zum einen Aufmerksamkeit, zum anderen verschaffe sie ihnen einen Raum zur Kontaktanbahnung, dessen nächste Stufe die Rekrutierung islamistischer Aktivisten und Kämpfer sei. "Den Einstieg in den Dschihad" nannte etwa kürzlich ein baden-württembergischer Verfassungsschützer die "Lies!"-Aktionen, die der Kölner Prediger Ibrahim Abou Nagie ins Leben gerufen hatte.

Trotz derartig scharfer Bewertungen durch die Sicherheitsbehörden werden die millionenfachen Koranverteilungen von obersten gerichtlichen Instanzen rechtlich geschützt, wie sich am Beispiel der Stadt Bonn zeigt. Hier hatte die Stadtverwaltung im Sommer 2012 unter dem Eindruck der schweren Ausschreitungen von Salafisten rund um die Pro NRW-Kundgebung in Lannesdorf zunächst eine Zeit lang das Aufstellen von Informationsständen mit Koranverteilung auf der Basis des Straßen- und Wegegesetzes untersagt.

Einer der Veranstalter setzte sich daraufhin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in zwei Instanzen - vor dem Verwaltungsgericht Köln und dem Oberverwaltungsgericht NRW in Münster - gegen die Stadt mit der Folge durch, dass ihm das Aufstellen der gewünschten Informationsstände inklusive der Koranverteilung in der Bonner Innenstadt erlaubt werden musste, fasst Marc Hoffmann vom städtischen Presseamt die Klageverfahren zusammen. Die Richter stuften zugunsten des damals betroffenen Nutzers dessen grundrechtlich geschützte Religions- und Meinungsfreiheit als vorrangig gegenüber den von der Stadt Bonn befürchteten Sicherheitsgefährdungen ein.

In einer freiheitlichen Demokratie sei es dem Staat zuzumuten, den befürchteten Gefahren in derartigen Fällen durch erhöhtes Vorhalten von Ordnungskräften vorzubeugen, so die Richter. Diesen Hinweis zu beherzigen, liegt nunmehr wiederum bei der Stadt. Dazu Marc Hoffmann: "Die Polizei erhält von jeder Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung entsprechender Informationsstände Kenntnis, um im Fall konkreter Gefährdungen unmittelbar einschreiten zu können."

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