Fledermausexkursion in Röttgen "Unser nächster Verwandter"

RÖTTGEN · Bei einer Fledermausexkursion lernten die Teilnehmer Verblüffendes über die fliegenden Säuger. Zum Beispiel, dass in Deutschland keine Tierart näher verwandt ist mit dem Menschen. Oder dass Fledermäuse mehr Insekten fressen, als Vögel dies tun.

Ein Knattern aus dem "Bat-Detektor" unterbrach Tom Wegners Redefluss. Der Zoologe erzählte den Teilnehmern an der Fledermaus-Führung, die er am Freitagabend für die Biologische Station Bonn durchführte, gerade davon, dass sich die Artenhäufigkeit dieser Säugetiere in Deutschland im letzten Jahrhundert durch das Eingreifen des Menschen verändert hatte.

Früher seltene Arten wie die Zwergfledermaus gebe es heute häufiger und umgekehrt. Das Knattern bedeutete, dass eins dieser Tiere gerade in der Nähe war. Und da huschte die Fledermaus auch schon vor dem dunkelblauen Abendhimmel vorbei.

Wegner hatte die Teilnehmer zum Röttgener Weiher in der alten Tongrube geführt. Dieser Ort eigne sich gut, um Fledermäuse zu beobachten: Viele Bäume, in denen sie tagsüber Unterschlupf finden können, auch die Häuser, die gerne als Schlafplatz genutzt werden, sind nicht weit, aber der See ist doch abgeschieden, und dort gibt es immer Insekten.

Den großen Abendsegler kann man dort laut Wegner beobachten: Er jagt über den Baumwipfeln hoch fliegende Insekten - die gleiche Fressnische wie die Schwalben. Am Freitag sah man keinen Segler, wohl wegen des vorangegangenen Regens.

Stattdessen flitzten Wasserfledermäuse über die Oberfläche des Teichs und sammelten Wasserläufer und andere Insekten ein. Mit einer starken Taschenlampe machte Wegner sie sichtbar - jedenfalls kurzzeitig: Sie meiden die Lichtkegel.

Neben den Sichtungen gab es viel Wissenswertes über Fledermäuse zu erfahren: "Fledermäuse fressen mehr Insekten, als Vögel dies tun", so Wegner. "Deshalb sind sie für die Waldwirtschaft interessant."

Bis zu 2000 Mücken fange eine Zwergfledermaus in einer Nacht. Die gerade einmal vier Gramm schweren Tiere nähmen auf diese Weise ihr halbes Körpergewicht zu sich. Für den Winterschlaf würden sie ihr Gewicht verdoppeln, um dann ihren Körperhaushalt extrem herunterzufahren: fünf oder sechs Herzschläge in der Minute, alle 90 Minuten ein Atemzug, und dadurch verbrauchen sie von den vier Gramm Zusatzgewicht gerade mal ein Zehntel. Den Rest, so der Experte, brauche die Fledermaus, um sich im Frühjahr wieder auf Betriebstemperatur aufzuheizen.

Wieder das Knacken im Detektor, der die hochfrequenten Laute für uns hörbar macht. Fledermäuse suchten sich Landmarken, sagte Wegner, als Begrenzung für ihre Echo-Ortung. Dadurch strukturieren sie ihren Jagdbereich und fliegen den gleichen Weg immer wieder, bis dort nichts mehr zu holen ist. Diese Bereiche geben sie auch an ihren Nachwuchs weiter, von dem sie pro Jahr einen, maximal zwei bekommen.

Der Mensch hat durch Städtebau Lebensräume zerstört, aber auch neue gebildet - in Fels schlafende Arten vermehrten sich, andere wurden seltener oder starben nahezu ganz aus. Auch Insektizide, sagte Wegner, seien wegen ihrer fettlösenden Eigenschaften für Fledermäuse gerade im Winterschlaf gefährlich. Diese Mittel seien inzwischen zum Glück nicht mehr zulässig.

Fledermäuse sind keine Nager, wie es der Name vermuten lassen könnte. Für Wegner hat ihr Körperbau auch durchaus Ähnlichkeit mit dem des Menschen - die Flügel sind eigentlich seine Hände, zwischen den vier Fingern spannt sich die Flughaut, der Daumen dient als Greifkralle.

Auch genetisch sei die Fledermaus sehr interessant: Sie sei eng mit den Affen verwandt, so der Fledermausexperte Wegner. "In Deutschland gibt es ja keine Affen", sagte er. "Deshalb ist unter den Tieren die Fledermaus genetisch unser nächster Verwandter."

Fledermäuse

Rund 5000 Fledermaus- und Flughundarten gibt es auf der Welt, die meisten leben in den Tropen. In Deutschland kommen 26 Arten vor, 16 davon in Bonn und Umgebung. Diese sind Insektenfresser, in anderen Gegenden der Erde haben sich die Säugetiere auf Früchte, Fische, Frösche oder andere Fledermäuse spezialisiert. Sie orten ihre Beute durch Ultraschalllaute. Diese sind an die Flügelschläge gekoppelt, sodass die Fledermaus auch dann Ultraschall aussendet, wenn sie nicht jagt. Um das Echo von Hindernissen und Insekten optimal auffangen zu können, haben sie große Ohren. Fledermäuse haben auch sehr gute Augen und können im Zwielicht besser sehen als der Mensch. Das dpa-Foto zeigt die in Deutschland vorkommende Kleine Hufeisennase.

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