Baumkontrolle Kein Schaden bleibt verborgen

RÖTTGEN/ÜCKESDORF · Baumkontrolleur Lothar Bungart untersucht die Kastanien an der L 261 zwischen Röttgen und Ückesdorf. Dabei geht im Zweifelsfall Verkehrssicherheit vor Naturschutz.

 Ist der Fuß des Stammes noch in Ordnung? Lothar Bungart sieht das mit einem Blick und trägt die Daten am Computer ein.

Ist der Fuß des Stammes noch in Ordnung? Lothar Bungart sieht das mit einem Blick und trägt die Daten am Computer ein.

Foto: Richard Bongartz

Der 60 Jahre alten Rosskastanie an der L 261 nahe dem Konrad-Adenauer-Damm geht es nicht so gut. Ein langer Riss zieht sich von oben nach unten über ihren Stamm, doch der Baum hält durch.

"Wahrscheinlich ist das durch einen Blitz passiert", sagt Baumkontrolleur Lothar Bungart, der für Schäden jeglicher Art ein Auge hat. Rund 15 Jahre ist die Verletzung alt, schätzt der Fachmann. Es bestehe die Gefahr, dass die Kastanie nach innen verfault.

Doch von Fällung kann noch keine Rede sein. "Das Laub in der Krone lässt seit ein bis zwei Jahren nach", sagt Bungart. Am Fuß entdeckt er auch eine Stelle mit Totholz. Erst wenn das den Stamm durchziehe, müssen die Kollegen von der Straßenmeisterei mit der Säge ausrücken.

Lothar Bungart vom Landesbetrieb Straßen NRW kontrolliert rund 20 000 Bäume in Bonn, dem linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Euskirchen. Regelmäßig. Die Mehrzahl davon müssten einmal in zwei Jahren überprüft werden, möglichst dann zu unterschiedlichen Jahreszeiten - wenn die Bäume also einmal Laub tragen und einmal nicht. Nur Naturdenkmale werden einmal im Jahr überprüft.

Unterm Strich geht es darum, dass die Bäume an den Straßen verkehrssicher sind, dass sie nicht plötzlich beim nächsten Sturm umkippen, weil ihre Wurzeln verfault sind. Doch auch so etwas ist schon passiert, so dass der Baumkontrolleur auch eine besondere Verantwortung hat.

"Ein Baum ist eine Konstruktion wie eine Brücke. Er hat eine Funktion, es können aber auch Gefahren von ihm ausgehen", sagt Bungart. So nimmt er derzeit die Baumreihen von Meckenheim bis Bonn unter die Lupe.

Seit rund einem Jahr erstellen die Kontrolleure ein Baumkataster. So gehört neben dem Fernglas, dem Splintmesser für faule Stellen an der Rinde, einem Hammer für Klopftests oder einem Hohldexel, um Fäule freizukratzen, auch ein Laptop zur Ausstattung im Wagen.

Bungart und seine Kollegen erfassen über eine Karte den Standort eines Baumes und tragen dann ihre Arte, Größe und Kronendurchmesser ein. Das ist durchaus ein durch Kennerblick erfasster Schätzwert. Nicht schlimm, denn ein Baum wächst ja auch.

Zuletzt hat Bungart noch die Fällentscheidung für eine Kastanie vor Röttgen getroffen, da der Baum vertrocknete. "Ich habe auch privat den Baumblick", sagt der 47-Jährige. "Nicht zwanghaft, aber man kann es nicht ausblenden."

Für ihn hat jeder Baum etwas Besonderes - bei der Blüte, beim Austrieb und bei der Rindenbildung. Da wäre zum Beispiel die Walnuss, "der Butter- und Brotbaum". Die standen früher an den Höfen, aber nicht nur, weil die Früchte für die Versorgung wichtig waren. "Durch den späten Austrieb lässt die Walnuss viel Licht ans Haus", sagt Bungart. "Doch im Sommer spendet sie Schatten."

Heute würden viele nur noch den Dreck sehen, den diese Bäume machen. Und so verschwinden sie langsam. Für den Fachmann gibt es auch keinen Grund, Bäume zu kappen, da dann die für die Versorgung der Wurzeln notwendigen Blätter fehlen.

An einem abgesägten Stamm ist eine dunkle, schwarze Masse zu sehen: der Fruchtkörper eines Pilzes, der im Holz der Kastanie lebte und sie schädigte. In solchen Fällen dauert die Kontrolle eines Baumes länger, denn es geht ja schließlich darum, ob er am Ende vielleicht entfernt werden muss.

Ansonsten schaut sich Bungart, der 2003 Baumkontrolleur wurde und davor 20 Jahre lang beim Straßenunterhaltungsdienst war, einen Baum erst einmal aus der Distanz an, blickt auf den Stamm und auf die Krone.

"Die sagt was über seine Vitalität aus." Dann geht er einmal rundherum, schaut ob etwas abgestorben ist. Sind Pilze oder Verletzungen zu sehen? Der Experte achtet darauf, dass Bäume in jungen Jahren aufgeastet werden. Gemeint ist, dass die unteren Äste gekappt werden, damit Autos gut durchkommen.

Werden Äste dicker als rund 15 Zentimeter, sollten sich nicht mehr gekappt werden. Denn dann bleibt eine große Wunde, die oft mehr als zehn Jahre zur Heilung, also Verschließung braucht. Bungart sieht sich selbst auch als Naturschützer. "Alte Bäume sind für mich ein Kulturgut. Deshalb muss man die jungen schützen." Lebendes Beispiel für diese Einstellung ist ein 80 Jahre alte Bergahorn an der L 261 - stattlich und imposant.

Baumkontrolleure

Im Land Nordrhein-Westfalen sind derzeit 30 Baumkontrolleure im Einsatz, die regelmäßig die Autobahnen, Land-, Bundes- und auch Kreisstraßen abfahren. Für den Beruf gibt es keine spezielle Ausbildung. Allerdings sind unter den Kollegen etwa Förster, die schon ein gewisses Basiswissen mitbringen. Ansonsten gibt es die halbjährliche Ausbildung zum Fachagrarwirt Baumpflege.

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