Neue Bonner Selbsthilfegruppe Wege aus der Spielsucht

POPPELSDORF · 30 Jahre lang hat Jens gespielt. Der heute 46-Jährige verbrachte viel Zeit seines Lebens mit Automaten, in Spielhallen und zuletzt in Online-Kasinos im Internet. Seit 14 Monaten lebt er ohne Spiel - und damit das auch so bleibt, baut er zurzeit eine Selbsthilfegruppe auf, die sich selbst den überaus trefflichen Namen "Los" gegeben hat: Das Kürzel steht für Leben ohne Spielsucht.

 Fachleute in Sachen Sucht: (von links) Bernd Uellendahl, Jens Hardt und Uta Geier-Vollmecke.

Fachleute in Sachen Sucht: (von links) Bernd Uellendahl, Jens Hardt und Uta Geier-Vollmecke.

Foto: Horst Müler

Passend zum bundesweiten Aktionstag gegen Glücksspielsucht stellte sich die Gruppe jetzt der Öffentlichkeit vor und erklärte Gästen, worum es genau geht: Menschen, die eine Spielsucht erfolgreich durch eine Therapie bekämpft haben, brauchen weiterführende Hilfe. Ähnlich wie bei trockenen Alkoholikern und abstinenten Drogenabhängigen endet der Suchtdruck nicht nach einer Therapie. Gespräche mit Betroffenen und Fachberatern helfen dabei, den Patienten vor einem Rückfall zu bewahren.

"Hier soll die Selbsthilfegruppe Los einen weiteren Mosaikstein in einem erfolgreichen Gesamtpaket zur Bekämpfung des pathologischen Glücksspiels darstellen", erklärt Bernd Uellendahl. Der Sozialarbeiter und Suchtherapeut arbeitet in der Fachambulanz Sucht Kontakt- und Beratungsstelle (KBS) im Poppelsdorfer Willi-Graf-Haus.

Hier, Im Wingert, unterhalb der Venusberg-Kliniken, treffen sich die ehemaligen Spieler in einem modernen Gebäude mit großen Fenstern und hellen Räumen, um über ihre Probleme zu reden. Auch Jens spricht offen aus, was viele seiner Leidensgefährten in ähnlicher Form durchlebt haben, bevor sie eine Therapie in Angriff nahmen und einen Ausweg aus der Lebenskrise fanden. Der gelernte Tischler, der lange als Küchenmonteur tätig war, geriet schon mit 15 Jahren in den Sog des Glücksspiels und ließ sich davon nach unten ziehen.

Obwohl er vor zehn Jahren eine "tolle Frau" kennenlernte, die er dann auch heiratete, riss ihn die Sucht zu Boden: Er wurde depressiv, bestahl aus Geldnot seine Firma, verlor den Job, unternahm einen Suizid-Versuch und konnte - nur knapp gerettet - eine stationäre Therapie beginnen. Seither ist Jens spielfrei, wie das die Experten nennen.

Aber ohne Gespräche ist das Eis dünn, auf dem er sich bewegt. Bislang nutzte er die ambulanten Gesprächskreise, die noch als Nachsorge von der Rentenkasse finanziert werden. Aber diese weiterführende Hilfe endet zwangsläufig früher oder später. Deshalb sind ihm die Gespräche der jetzt ins Leben gerufenen Selbsthilfegruppe ganz besonders wichtig. So wichtig, dass er selbst die Organisation und Leitung der Gruppe übernahm.

Ob er sich noch gefährdet fühlt? "Man wird ja mit Anreizen förmlich überflutet", sagt er. "Egal ob Online-Spiele oder Lotto: Die Werbung dafür findet man überall." Das ärgert ihn maßlos. Denn während bei Nikotin und Alkohol die Gefahr zum Suchtanreiz durch Werbeverbote eingedämmt wird, sind Spielwerbungen allgegenwärtig. Aber auch darüber kann man ja sprechen. Demnächst in der Selbsthilfegruppe Los.

Info: Informationen für Betroffene und Familienangehörige unter 0228/28900 und auf www.suchthilfe-bonn.de

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