Schulwechsel als Sparmaßnahme Stadt Bonn will Siebtklässlerin Schülerticket nicht mehr zahlen

BONN · An einen Schildbürgerstreich glaubte Michael Schäfer, als die Stadtwerke Bonn neulich den Vertrag für das ermäßigte Schülerticket seiner Tochter zum 1. August kündigten. Der Pfarrer der Lukaskirchengemeinde erkundigte sich nach dem Grund und erfuhr, dass die Kündigung im Auftrag der Stadt Bonn geschah.

Seine Nachfrage dort ergab: Er solle seine Tochter, die die siebte Klasse des Tannenbusch-Gymnasiums (Tabu) besucht, zum nächsten Schuljahr auf das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) ummelden. Das EMA an der Endenicher Allee liege näher zur Wohnung der Familie in der Nordstadt. Sollte das EMA einen Platz frei haben, er aber seine Tochter nicht ummelden, bestehe kein Anspruch mehr auf ein ermäßigtes Schülerticket. Denn das gibt es in dem Fall nur bei einem Schulweg, der mehr als 3,5 Kilometer beträgt.

"Ich dachte erst, ich höre nicht richtig", sagte Schäfer. "So absurd ich den Gedanken fand, ich habe dann doch mal beim EMA nachgefragt." Dort erhielt Schäfer postwendend einen unterschriebenen Vordruck zurück mit dem Hinweis, dass kein Platz für seine Tochter an der Schule frei ist. Diesen Vordruck habe er anschließend an das Schulamt weitergeleitet. Ob sein Kind ab dem neuen Schuljahr wieder ein ermäßigtes Ticket erhält, wisse er allerdings noch nicht. "Seither habe ich noch nichts von der Stadt Bonn gehört."

Abgesehen davon, dass das EMA für seine Tochter schlechter zu erreichen sei als das Tabu, so findet der Pfarrer den Aufwand, den die SWB, das Schulamt, die Schule und die Eltern "für diesen Unsinn " betreiben müssten, enorm. Selbstverständlich hätte er seinem Kind auch bei einem freien Platz am EMA einen Schulwechsel nicht zugemutet, unterstreicht er. Schließlich gehe es ihm nicht um die 18 Euro, die er dann mehr für das Schülerticket zahlen müsse, nämlich 30 Euro statt 12 Euro. "Das Schulamt sollte seine Kräfte auf Felder lenken, die wirkliche Probleme sind, wie etwa die große Zahl fehlender Plätze in den offenen Ganztagsschulen in Auerberg und Graurheindorf", kritisierte er .

Doch die Verwaltung verteidigt ihr Vorgehen: Nach der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) könne der Wechsel zur nächstgelegenen Schule verlangt werden, wenn dadurch die Schulausbildung nicht wesentlich beeinträchtig werde, und zwar in den Klassenstufen sieben bis zehn, erfuhr der GA. Grundsätzlich sähen die Regelungen vor, dass Schüler innerhalb bestimmter Zumutbarkeitsgrenzen (Schulweglänge, gefährlicher Schulweg) den Weg von der Wohnung zur nächstgelegenen Schule zu Fuß zurücklegen müssten.

Nur in den Fällen, in denen der Schulweg unzumutbar sei, erhielten diese Kinder und Jugendlichen ein ermäßigtes Schülerticket. Diese Ermäßigung werde auch gewährt, wenn die nächstgelegene Schule der gewünschten Schulform aus Kapazitätsgründen eine Absage erteile und die Schüler deshalb eine weiter entfernt liegende Schule mit unzumutbarem Schulweg besuchen müssen.

"Das Bonner Schulamt prüft in jedem Jahr, ob die Unzumutbarkeit des Schulweges weiterhin gegeben ist und ob eine nähergelegene Schule aufnahmebereit ist. Dabei handelt es sich um ein von der Rechtsprechung anerkanntes Überprüfungsverfahren, das im Hinblick auf den schonenden Umgang mit Haushaltsmitteln geboten ist", heißt es weiter in der schriftlichen Stellungnahme.

Immerhin habe die Stadt Bonn 2013 rund 4,4 Millionen Euro an die SWB als Ausgleichsleistung für ermäßigte Schülertickets geleistet. Wie viele Familien sie vor diesem Hintergrund bisher zu einem Schulwechsel aufgefordert hat, das konnte die Verwaltung nicht beantworten. Diese "statistischen Daten" würden nicht erhoben.

EMA-Schulleiter Thomas Harth wunderte sich sehr über den Fall der Familie Schäfer. Er kenne diese Überprüfungspraxis der Stadt bisher lediglich bei Anmeldungen von Bonner Schülern in die fünfte Klasse oder die Oberstufe einer Schule außerhalb der Stadtgrenze. "Dann werden wir von der Verwaltung gefragt, ob wir noch einen Platz frei haben", sagte er. "Den haben wir eher nicht." Das ganze sei insofern absurd, da ja das Kriterium Wohnortnähe bei der Aufnahme von Schülern keine Rolle mehr spielen dürfe.

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