Karneval in der Altstadt Kontrollverlust mit Ansage

BONN · "Es ist erschreckend, wie sich manche hier abschießen", sagen die vier Freundinnen Kathrin, Maike, Melanie und Jaqueline (Namen geändert). Und tatsächlich: Die vier Mädels zwischen 16 und 18 Jahren sind fast die einzigen, die keine Alkoholflasche in der Hand haben.

 Der ganz normale Rosenmontags-Wahnsinn auf der Heerstraße: Flaschen, Scherben, Menschen so weit das Auge reicht. Schon um die Mittagszeit sorgen die zahlreichen geleerten Flaschen und Scherben für eine ganz spezielle Geräuschkulisse.

Der ganz normale Rosenmontags-Wahnsinn auf der Heerstraße: Flaschen, Scherben, Menschen so weit das Auge reicht. Schon um die Mittagszeit sorgen die zahlreichen geleerten Flaschen und Scherben für eine ganz spezielle Geräuschkulisse.

Foto: Colling

Denn ansonsten ist die Heerstraße vor der Marienschule in der Bonner Altstadt schon Stunden, bevor der Zug vorbeizieht, fest in der Hand von trinkenden Jugendlichen - und fast völlig karnevalsbefreite Zone.

Nur ein paar Kostüme lassen hier noch auf den Anlass schließen. Keine Musik, kein Schunkeln, nur Gegröle. Dominiert wird diese schon fast traditionelle Veranstaltung der Bonner Jugendlichen vor allem durch einen Sound: Dem Klirren von Glas. Das Geräusch von knirschenden Scherben und über das Pflaster getretenen Flaschen ist allgegenwärtig.

Alex und Ken (beide 24) gehören zu den Ältesten und sind damit schon Routiniers: Seit sie 16 sind, kommen sie jedes Jahr an Rosenmontag zur Marienschule. Dabei haben sie mit Karneval nicht viel am Hut, sie sind unverkleidet. Aber wie selbstverständlich verteilen sie kleine Schnapsfläschchen an alle, die nicht schnell genug ablehnen.

[kein Linktext vorhanden]"Man ist einfach jedes Jahr hier und trifft immer dieselben Leute", sagt Alex. Doch geselliges Zusammensein scheint eher ein Nebenaspekt zu sein für viele hier. Oder wie es Alex formuliert: "Saufen bis zum Exzess, so kann man das hier schon bezeichnen."

Genau das ist es, was Ömer Pire stört. Ihm gehören neben drei Restaurants an der Heerstraße auch das Döner-Haus an der Ecke zur Maxstraße. Und damit ist er das Zentrum für alle, die sich mal erleichtern müssen. Umsatz macht Pire nämlich an diesem Tag kaum mehr als sonst. Zu den feiernden Jugendlichen hat er eine klare Meinung: "Das hat hier viele Nachteile. Die meisten sind unter 20 und verlieren zu schnell die Kontrolle. Die Behörden sind mit der Situation überfordert."

[kein Linktext vorhanden]Um Eskalationen zu vermeiden, hat das Ordnungsamt am Montag ständig patrouilliert, auch Polizei und Rettungskräfte haben sich in unmittelbarer Nähe stationiert. Der mobile Infostand der Bonner Suchthilfe musste jedoch umziehen. In den vergangenen Jahren hatte er sich immer direkt vor der Marienschule postiert: "Zuerst waren viele Jugendliche froh über unsere Angebote, aber später wurden wir von der Masse in die Ecke gedrängt, viele haben unseren Bus zum Schaukeln gebracht", sagt Mitarbeiterin Florence Ammelung.

"Es gab keinen sicheren Platz mehr für uns." Deswegen wurde der Stand am Montag vor dem Frankenbad aufgebaut, fernab der eigentlichen Zielgruppe auf der Heerstraße.

Sicher vom abgesperrten Schulhof der Marienschule aus beobachten die Rettungskräfte der Malteser die Situation. "Erfahrungsgemäß sind neben Alkohol Verletzungen durch Scherben am gefährlichsten", sagt Einsatzleiter Dennis Martin. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Fälle von Alkoholvergiftungen gegeben. Einmal war sogar eine Reanimation nötig. Am Montag blieb die Lage bis zum Abend ruhig.

Die Jugendlichen sind von alldem dennoch nicht abgeschreckt: "Es gibt keinen Druck hier zu trinken, es macht mit Alkohol nur einfach viel mehr Spaß", erklären Kathrin, Maike, Melanie und Jaqueline. Die vier Freundinnen haben inzwischen auch angestoßen: Stilvoll mit einem Cola-Tequila-Mix aus der Plastikflasche.

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