Ehemalige Bundessiedlung Lotharstraße Anwohner wollen sich von der Stadt Bonn nichts vorschreiben lassen

BONN · Zweistöckige Mehrfamilienhäuser, umgeben von freizügigen Grünflächen, prägen die ehemalige Bundessiedlung Lotharstraße. Ab 1949 entstand in Kessenich zwischen Lothar- und Luisenstraße, durchkreuzt von Julius-Plücker- und Geißlerstraße, Wohnraum für die mit der Hauptstadt zuziehenden Angestellten des Bundes.

 Stören farbenfrohe Fassaden wie hier in der Geißlerstraße den einheitlichen Gartenstadt-Charakter der Bundessiedlung? Auch um diese Frage geht es im Streit um die Gestaltungssatzung.

Stören farbenfrohe Fassaden wie hier in der Geißlerstraße den einheitlichen Gartenstadt-Charakter der Bundessiedlung? Auch um diese Frage geht es im Streit um die Gestaltungssatzung.

Foto: Volker Lannert

Die Siedlung wurde in der Tradition der Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten Idee der "Gartenstadt" geplant und ausgestaltet. Damit das so bleibt, will die Stadt den Charakter der Siedlung mit Hilfe einer Gestaltungssatzung regeln. Doch einige Anwohner laufen dagegen Sturm.

"Ich verstehe einfach nicht, warum etwas durch öffentliches Recht geregelt werden soll, was die Eigentümer bereits untereinander vorbildlich regeln", sagt Bettina Oehmen, die an der Lotharstraße, am südwestlichen Ende der Siedlung, in ihrer Eigentumswohnung lebt.

Die angestrebte Erhaltung des Siedlungscharakters sei schon in der Teilungserklärung festgeschrieben, die alle Eigentümer der Häuser Lotharstraße 12 bis 28 unterzeichnet hätten. Bestimmte Änderungen daran können nur per Mehrheitsbeschluss der Eigentümer, andere sogar nur einstimmig vorgenommen werden. Paradoxerweise würden die bisherigen Vorgaben durch die Gestaltungssatzung, in der Form wie sie jetzt in einem Entwurf vorliegt, sogar aufgeweicht. Dachgauben etwa sollen erlaubt sein, solange sie blockweise einheitlich gestaltet werden. "Das widerspricht dem eigentlich ausgegebenem Ziel."

Die Initiative, für die ehemalige Bundessieldung eine Gestaltungssatzung auszuarbeiten, ging von SPD-Ratsherr Werner Esser aus. Eigentümer seien auf ihn zugekommen, weil sie unglücklich darüber waren, dass die breiten Grünflächen drohten, durch Zäune abgesperrt zu werden.

Auch Dachgauben, die an der Julius-Plücker-Straße entstanden, sorgten offenbar für Unmut. Anders als die benachbarte Reutersiedlung steht die Siedlung Lotharstraße nicht unter Denkmalschutz. "Die Eigentümer wollen, dass der Siedlungscharakter und damit der Wohnwert erhalten bleibt", sagt Esser. Deswegen habe er den Eindruck, dass viele die Initiative unterstützen. "Die Teilungserklärungen könne eben geändert werden, eine Gestaltungssatzung nicht." Zudem seien die Bewohner von Anfang an in den Prozess einbezogen worden.

Zwei Bürgerversammlungen wurden seit 2011 durchgeführt, die Eigentümer per Fragebogen zu ihren Prioritäten befragt. Professor Norbert Schöndeling vom Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege der Fachhochschule Köln hat sich für die Bonner Verwaltung die Siedlung näher angeschaut.

Aus all dem entstand der nun vorliegende siebenseitige Satzungsentwurf. Der sieht unter anderem vor, dass die Fassaden nur noch in hellem Grau oder Beige gestrichen werden dürfen, Wintergärten nur bis zu drei Meter tief sein und Freiflächen nicht eingezäunt werden dürfen. Es werde aber diskutiert, ob die Wohnhäuser an der Lotharstraße 12 bis 28 aus der Gestaltungssatzung herausgenommen werden können, sagt Esser, weil dort bereits vorbildlich für den Erhalt des Siedlungscharakters gesorgt werde.

Doch auch entlang der Geißlerstraße sind nicht alle Anwohner mit der Gestaltungssatzung einverstanden. "Wir haben unsere Wohnung schließlich unter anderen Voraussetzungen gekauft", sagt Cornelia Heydenbluth. Auch mit der Bürgerbeteiligung ist sie nicht zufrieden. "Es ist gar nicht klar, welche Konsequenzen die Anmerkungen tatsächlich haben." Bis Ende Juli konnten Bürger den Satzungsentwurf einsehen und Stellung nehmen. Die Ergebnisse würden nun ausgewertet, teilt Michael Isselmann, Leiter des Stadtplanungsamts, mit. "Danach werden sie den politischen Gremien vorgelegt." Auch Werner Esser betont: "Es ist politisch noch nichts entschieden."

Die Wohnungsbesitzer in der Lotharstraße 12 bis 28 wollen sich darauf nicht verlassen. Vergangene Woche haben sie in einer Eigentümerversammlung beschlossen, sich gegen die Gestaltungssatzung stark zu machen. Sie haben die Hausverwaltung beauftragt, bei Stadtverwaltung und Stadtrat entsprechende Schritte einzuleiten. Und auch einzeln wollen sie gegen die Gestaltungssatzung vorgehen.

Baurecht

Mit einer Gestaltungssatzung legt eine Kommune fest, wie Dächer, Fassaden und Umzäunungen von Häusern gestaltet werden dürfen.

Anders als beim Denkmalschutz geht es hierbei nicht darum, die historische Baumasse zu erhalten, sondern für ein einheitliches Bild zu sorgen. Im Gegensatz zu einer Teilungserklärung, die festlegt, wie eine Wohnanlage auf mehrere Eigentümer aufgeteilt wird und unter welchen Umständen bauliche Veränderungen vorgenommen werden dürfen, fällt eine Gestaltungssatzung unter öffentliches Recht.

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