Historische Führungen durch den Kottenforst Grüne Lunge mit reicher Kulturgeschichte

IPPENDORF · Eiszeit, Frühzeit, Mittelalter, Neuzeit, die Römer, die Franken, der Kurfürst, Napoleon und die Preußen - Stadtförster Sebastian Korintenberg hatte sich einiges vorgenommen für seine historische Führung durch den Kottenforst.

 Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, aber auch die Ruhe und die Luft fasziniert Besucher, die im Kottenforst spazieren gehen. Das war schon immer so, schon der Kurfürst genoss die Stimmung

Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, aber auch die Ruhe und die Luft fasziniert Besucher, die im Kottenforst spazieren gehen. Das war schon immer so, schon der Kurfürst genoss die Stimmung

Foto: Horst Müller

Da bloß keine Epoche, kein Einfluss und kein Besitzer unerwähnt bleiben sollten, "könnte das jetzt etwas datenlastig werden", warnt der 34-Jährige zu Beginn. Es gilt schließlich, der ereignisreichen Geschichte eines 40 Quadratkilometer großen Waldgebiets gerecht zu werden, das im Laufe der Jahre zahlreiche Institutionen und Einzelpersonen ihr Eigen nennen durften.

Während Korintenberg mit seinen Zuhörern quasi im Sprint Jahrtausende zurücklegt, bewegt sich die 15-köpfige Gruppe zum Ausgleich eher gemächlich über die Kiespfade des erhabenen Forstes.

Dass die Protagonisten der Historie dieses Waldes keinesfalls seine wechselnden Besitzer sind, ist für Korintenberg selbstverständlich. "Wenn ich mir diese Eiche anschaue, dann bekommt alles eine ganz andere Dimension", so der Stadtförster. "In dieser schnelllebigen Welt, in der vermeintlich nur das Jetzt Bedeutung hat, frage ich mich, was mit diesem Baum in den nächsten 180 Jahren passiert und wie viele Menschen aus vergangenen Zeitaltern hier schon vorbeigeritten oder geschritten sein müssen." Eigene Probleme wirkten dann gleich viel kleiner, fügt er hinzu.

Eine Zuhörerin deutet auf eine Buche, deren Stamm großflächig von Efeu umrankt ist. "Ist das nicht schädlich?" Ein weitverbreiteter Irrtum sei das, so Korintenberg. "Solange die Blätter nicht vom Efeu erstickt werden und der Baum an der Photosynthese gehindert wird, bilden Efeu und Stamm sogar eine Symbiose. Gehen Sie ruhig mal ran und fassen Sie an die glatte Rinde. Der beißt nicht!"

"Dass wir hier auf Rosskastanien und Walnussbäume stoßen, haben wir den Römern zu verdanken", erklärt der Stadtförster. "Die kamen etwa 50 Jahre vor Christus ins Rheinland und haben die uns hier reingeschmissen." Wer hätte das gedacht?

  • Nachdem die Römer rund 500 Jahre später von den Franken vertrieben wurden, kümmerte sich erstmals ein Forstmeister des karolingischen Königsguts Muffendorf um das Gelände, überwachte Weide- und Jagdrechte und hielt einmal im Jahr eine Art Waldgericht für die Schlichtung diverser Streitigkeiten zwischen den Nutzungsberechtigten. "Einzig der Adel hatte das Privileg, Hochwild zu schießen. Von der Forstwirtschaft war die Jagd damals streng getrennt."
  • Der deutsche Kaiser Otto II. legte 973 die Grenzen des Kottenforsts fest, die auch heute noch so bestehen.
  • Im 11. Jahrhundert begann eine turbulente Phase: Der Forst wurde von Kirche zu Kirche weitergereicht, bis sich die Abtei Siegburg geradezu erbarmte und die Verantwortung übernahm. Der Grund waren Spannungen zwischen denen, die den Wald roden oder ihr Vieh dort weiden lassen durften. Kühe, Ziegen, Schafe, Hühner und bis zu 5000 Schweine besiedelten damals den Kottenforst. "Stellen Sie sich nur mal die Ausmaße vor. Egal, wo Sie hinschauen, da stünde irgendwo ein Schwein", schmunzelt Korintenberg.
  • Um 1750, der Wald gehörte jetzt dem Kurfürsten, veranlasst Clemens August den Bau des Jagdschlosses Herzogsfreude in Röttgen. "Die Wegschneisen, die vom Schloss in die Randdörfer führen, sind unverändert." Auf den sternförmigen Routen frönte er der Parforcejagd.
  • Mit der Besetzung Bonns durch Napoleon endete 1794 der feudale Kurstaat, der Kottenforst wurde französisch und zur Finanzierung des Militärs erheblich abgeholzt. 21 Jahre später forsteten die Preußen wieder auf - das Waldgebiet wurde Versuchsrevier der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. "Auch Kaiser Wilhelm II., damals Waldbau-Student, jagte hier", weiß Korintenberg.

"Ich habe eine ganz andere Perspektive auf den Kottenforst bekommen", lobt Teilnehmerin Ulrike Kramer die historische Führung durch das schöne Waldgebiet. "Meine Großeltern wohnten früher ganz in der Nähe, als Kind habe ich hier viel gespielt." Möglicherweise an demselben Ort, an dem ein prunkliebender Kurfürst gedanklich ein Schloss entwarf, ein französischer Herrscher seinen nächsten Feldzug plante oder ein deutscher Kaiser einem Uni-Seminar lauschte.

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