Haus der Geschichte Familie Schabowski will berühmten Notizzettel zurück

BONN · Das Datum ist eindeutig: Freitag, 19. Juni 2015. Bis zu diesem Tag hat der Berliner Rechtsanwalt Philipp Spiller dem Bonner Haus der Geschichte eine Frist gesetzt, den berühmten Notizzettel Günter Schabowskis vom 9.November 1989 der Familie zurückzugeben.

Sollte sich das Museum weigern, werde man im Auftrag der Familie Schabowskis auf Herausgabe klagen, fügte Spiller im Gespräch mit dem GA hinzu. Im Blick auf ein Gerichtsverfahren "rechnen wir uns gute Chancen aus", sagte der Anwalt, der in der Kanzlei Danckert-Spiller-Richter-Bärlein tätig ist, weiter.

Seit dem 16. April zeigt das Bonner Museum das Din-A4-Blatt in einer Vitrine im Informationszentrum. Später soll es in die Dauerausstellung integriert werden. Bei der Vorstellung des Notizzettels hatte Museumschef Hans Walter Hütter den Zettel als eines der wichtigsten Exponate seines Hauses bezeichnet. "Das ist schließlich das Dokument, mit dem man die Öffnung der Mauer verbindet", hatte Hütter gesagt.

Nach seinen Angaben hatte das Museum den Zettel für 25.000 Euro gekauft, von einem Mann aus dem weiteren Umfeld Schabowskis, der anonym bleiben möchte, wie es hieß. Das Blatt galt jahrelang als verschollen. Der Mann hatte sich laut Museum vor gut zweieinhalb Jahren in Bonn gemeldet, dann aber zwei Jahre nicht mehr. Im Dezember rief er wieder an, worauf es zu Verhandlungen und Echtheitsprüfungen des Dokumentes kam - und schließlich zum Vertragsabschluss.

Der hätte laut Spiller nicht stattfinden dürfen: "Es ist sicher, dass der Verkäufer nicht der rechtmäßige Eigentümer des Zettels gewesen ist." Denn es habe nie eine Übertragung des Eigentums von der Familie an den Verkäufer gegeben. Schabowskis Ehefrau Irina hatte im April von einem "kaltblütigen Verkauf einer gestohlenen Sache" gesprochen. Den Zettel und andere Dokumente habe die Familie an Bekannte weitergegeben, aber nie zurückbekommen. "Wir haben nichts verschenkt", so Irina Schabowski.

Anwalt Spiller kreidet dem Museum vor allem an, dass es die Eigentumsfrage vor dem Kauf nicht ausreichend geklärt habe. Die Prüfungspflicht sei "grob fahrlässig verletzt" worden. So hätte man sich intensiver um einen Kontakt mit der Familie Schabowski bemühen müssen. Museumssprecher Peter Hoffmann erklärte, wegen des laufenden Verfahrens könne er zu dem Brief der Kanzlei nichts sagen.

Klar sei, dass man den Zettel behalten wolle. Im April hatte er erklärt, Schabowski sei schwer krank und pflegebedürftig. Ein Kontakt sei nicht möglich gewesen. Auf dem Blatt kommt die Dramaturgie der Pressekonferenz vom 9. November zum Ausdruck. Schabowski hatte sich mit den Anweisungen "kurz vor Schluss" und "Zeit" offenbar selbst darauf hinweisen wollen, dass er erst am Ende auf die neue Reiseregelung eingehen wollte. Dass die erst am nächsten Tag und mit bürokratischem Vorlauf in Kraft treten sollte - jedenfalls nicht unverzüglich - hatte er nicht gewusst. Viele DDR-Bürger machten sich zur Mauer auf, und die Grenzer öffneten die Schlagbäume.

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