Odyssee der Bonner "Diana" Die Jägerin vom Venusberg

BONN · Plötzlich war die grüne Nackte mit dem Speer verschwunden. Von dem geheimen Wahrzeichen des Venusbergs blieb nur noch der Sockel unweit der Ecke Haager Weg und Sertürner Straße. Man hatte sich seit 1955 an die etwas überlebensgroße Jagdgöttin Diana mit dem Speer gewöhnt. So sehr, dass man ihr Verschwinden erst mit Verzögerung wahrnahm.

 Im Garten des Hauses der Geschichte geht sie auf Jagd: Arno Brekers "Diana mit dem Speer" vom Venusberg.

Im Garten des Hauses der Geschichte geht sie auf Jagd: Arno Brekers "Diana mit dem Speer" vom Venusberg.

Foto: Thomas Kliemann

Im Herbst 1997 ist die mit grüner Patina bedeckte Bronzeskulptur weg. Bürgerprotest regt sich, füllt Leserbriefseiten im General-Anzeiger, führt zu unzähligen Artikeln. Spekulationen schießen ins Kraut. Der neue Eigentümer der Skulptur, die Bau-Boden-Treuhand (BBT), habe die einst von der Gesellschaft "Garten und Heim" für die Siedlung auf dem Venusberg erworbene Plastik "entführt", hieß es.

Andere befürchteten Diebstahl mit materiellem Hintergrund. Immerhin: Es war ein Werk des teuer gehandelten Bildhauers Arno Breker, einer von Hitlers Lieblingskünstlern, Staatsplastiker im Dritten Reich, Funktionär und nach der Einstufung als "Mitläufer" nach dem Krieg in der jungen Bundesrepublik begehrter Porträtist von Konrad Adenauer, Peter Ludwig und anderen.

Die Diebstahl-Hypothese hielt sich nicht, auch eine "Entführung" schied aus. Die BBT wollte das bereits 1987 durch Graffiti am Sockel und Beschädigungen in Mitleidenschaft gezogene Bronze-Werk restaurieren lassen und plante wohl, die Breker-Statue vor dem Verwaltungsgebäude der BBT in Stuttgart aufzustellen.

Die Bürgerinitiative "Diana" ließ nicht locker, sammelte Unterschriften, wehrte sich gegen immer massiver werdende Vorwürfe, Brekers Speerträgerin sei Nazi-Kunst. Bärbel Kloss-Rasom von der Bürgerinitiative sagte damals dem GA: "Wir werden weiter für unsere Diana kämpfen, wir wollen nur unser Mädchen zurückholen."

"Diana" hatte noch einen großen, nicht unumstrittenen Auftritt in der Ausstellung "Artemis/Artemisia" (2000) im Bonner Frauenmuseum - bevor sie den Weg der historischen Entsorgung antrat. Nur wirklich hartnäckige Sucher finden sie heute in der letzten Ecke des weitläufigen Museumsgartens des Bonner Hauses der Geschichte. Es gibt keinen direkten Hinweis auf das Werk. Da geht sie tief im Efeu unter einem mächtigen Baum auf Jagd, es ist eine Idylle im Abseits.

Brekers Diana ist als Dauerleihgabe im Haus der Geschichte angekommen, ein dicker Ordner, den sich Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche bringen lässt, rekapituliert, was geschah. Reiche, den Kontinuitäten zwischen dem Dritten Reich und der Bundesrepublik interessieren, der Karrieren verfolgt, die bruchlos über 1945 hinausführten, sieht Breker in diesem Sinn als wichtige Figur. Jedoch die "Diana" als zu schwaches Beispiel. In der Tat lässt sich die leicht kurzbeinige und wenig athletische Jägerin vom Venusberg kaum mit Brekers martialischen, völkischen Helden der NS-Zeit vergleichen.

Und doch sollte man, so Reiche, Brekers "Diana" nicht ohne Hinweis auf den historischen Kontext präsentieren. Als "gestaltete Gesinnung, formgewordene Weltanschauung" rühmten die Nazis Brekers Skulpturen. Hitler selbst nahm den Bildhauer in seine Liste der "Gottbegnadeten" auf. Brekers Staatsaufträge formulierten den perfiden Körperkult des arischen Herrenmenschen.

Mag "Diana" auch heute noch so anmutig durchs Efeu stapfen, unschuldig, unbelastet ist sie nicht. Natürlich soll man sie zeigen und nicht wegsperren, ist Reiche überzeugt - mit historischen Kommentar. So weit die Theorie. Eine Beschriftung lässt sich heute unweit der "Diana" nicht finden. Vielleicht ist Efeu darüber gewachsen.

Schwieriges Geschenk:

Nach heftigen Protesten der Bürgerinitiative "Diana" bot die Wohnungsbaugesellschaft BBT 1999 die Skulptur der Stadt Bonn als Geschenk an. Im Rat rührte sich Widerstand. Fast 50 Jahre lang war es der Stadtpolitik egal gewesen, was da auf dem Venusberg stand, jetzt, hatte man Bauschmerzen, das Werk eines bekennenden Nationalsozialisten als Geschenk anzunehmen. Nach einem Gastspiel im Frauenmuseum kam die "Diana" ins Haus der Geschichte.

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