Junggesellen Graurheindorf Junge Männer und alte Traditionen

GRAURHEINDORF · "Früher, da gab es in Graurheindorf viel mehr Vereine", sagt Michael Orth. Es habe einen Angelverein, zwei Männergesangvereine und mehrere Sportvereine gegeben. "Und es gab sieben oder acht Kneipen", sagt Orth. Übrig geblieben seien davon zwei. Es gab auch Geschäfte und eine Bank. "Heute ist nichts mehr da", sagt Orth.

 Dem 17-jährigen Präsidenten der Junggesellen, Michael Orth, sind Traditionen wichtig. Er tritt in die Fußstapfen von Vater Wolfgang, der im "BonnShop", dem Geschäft der Familie, an seiner Seite steht.

Dem 17-jährigen Präsidenten der Junggesellen, Michael Orth, sind Traditionen wichtig. Er tritt in die Fußstapfen von Vater Wolfgang, der im "BonnShop", dem Geschäft der Familie, an seiner Seite steht.

Foto: Roland Kohls

Der 17-Jährige findet das schade. Er meint, dass dem Ort damit etwas verloren geht: Gemeinschaftsgefühl, Zusammenhalt. Von Graurheindorf, wie es früher einmal war oder gewesen sein soll, erzählt Orth, wenn man ihn fragt, warum er sich mit 16 Jahren zum Präsidenten des Junggesellenvereins Männerreih 1839 "Rheinlust" wählen ließ. Wenn man ihm Glauben schenken kann, dann will er mit diesem Verein nicht weniger erreichen, als dem Ort, in dem er groß geworden ist, wieder ein Stück Identität zurückzugeben. Für den Ort. Aber wohl auch für sich selbst. Denn er hat sich in der Dorfgemeinschaft, wie er sie erlebt hat, immer wohlgefühlt.

"Ich war bei den Festumzügen dabei, den Maifesten. Ich hatte schon als kleiner Junge das Gefühl, ein Teil des Vereins und des Dorfs zu sein", sagt Orth. Das Wort Dorf - Synonym für überschaubare Heimeligkeit - rutscht ihm immer wieder raus, wenn er von Graurheindorf spricht. Ein bisschen heile Welt will er sich wieder holen. Mit Hilfe des Vereins. "Es ist mir wichtig, denn ich möchte mich in meiner Gemeinschaft wohlfühlen." Basta. Nun sind Junggesellenvereine nicht gerade dafür verschrien, beim sozialen Engagement immer an vorderster Front zu stehen. Eher für Trinkfreudigkeit. Michael Orth weiß um dieses Bild. Er ist auch angetreten, um an diesem Image etwas zu ändern.

"Ich bin schon seit der Geburt Mitglied", sagt Orth. Das liegt in der Familie. Sein Vater Wolfgang Orth war 25 Jahre lang Präsident des Vereins, Großvater Jakob war unter anderem Schriftführer. Er habe er eine ganz andere Seite des Junggesellen-Daseins kennengelernt, meint der Präsident. "Die Mitglieder sind sehr sozial eingestellt, jeder achtet auf den anderen." Allerdings, räumt Orth ein, sei die soziale Rolle in den vergangenen Jahren etwas zu kurz gekommen.

"Wir haben zum Beispiel jahrelang einen Seniorenkaffee gemacht. Das ist sehr eingeschlafen", sagt Orth. Als Präsident habe er es sich zum Ziel gesetzt, diese Traditionen wiederzubeleben. "Die sind doch der eigentliche Grund für die Existenz eines Junggesellenvereins", meint der 17-Jährige. Eine Tradition, die Orth gemeinsam mit der Männerreih Auerberg wiederbeleben will, ist das Fahnenschwenken. "Ich möchte die Bonn-Meisterschaft wieder ins Leben rufen", sagt der Präsident. Bei der Kirmes in Auerberg soll es so weit sein.

Junge Leute werben, Traditionen beleben: Michael Orth hat sich einiges vorgenommen. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Alkohol. "In seiner Bewerbungsrede hat er angekündigt, dass er mit dem Verein vom Saufimage wegkommen will", ergänzt Vater Wolfgang Orth.

Aber keine Angst, Abstinenzler muss man auch nicht gerade sein, um dem Verein beizutreten. Immerhin pflegt er auch eine Tradition, bei der Alkohol eine nicht unwesentliche Rolle spielt: den Gebrannten, der laut Orth angeblich im 17. Jahrhundert als Heilmittel gegen die Pest Verwendung fand. Man gieße Korn über Kandiszucker, der durch den Alkohol wie bei der Feuerzangenbowle brennt. "Man sollte sich dann bei der Kirmes für Bier oder den Gebrannten entscheiden, sonst kann es schlimm enden", meint Orth. Er selbst hat das Dorfritual noch nicht probiert. Warum? "Ich bin nicht alt genug."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort