Roma-Familie aus Flüchtlingsheim in Endenich abgeholt Kirchen über Abschiebung empört

BONN · Die Männer und Frauen des städtischen Ordnungsdienstes kamen am Donnerstag am frühen Morgen. Als die meisten der 140 Flüchtlinge, die im ehemaligen Seniorenheim in Endenich untergebracht sind, noch tief und fest schliefen.

 Die Abschiebung einer sechsköpfigen Roma-Familie hat viele Flüchtlinge im Paulusheim und ihre Helfer Helena Nguyen, Uwe Grieser und Werner Preller (hinten, von links) verunsichert.

Die Abschiebung einer sechsköpfigen Roma-Familie hat viele Flüchtlinge im Paulusheim und ihre Helfer Helena Nguyen, Uwe Grieser und Werner Preller (hinten, von links) verunsichert.

Foto: Horst Müller

Für eine sechsköpfige Roma-Familie aus Albanien war die Nacht jedoch vorbei. Sie wurde per Flugzeug abgeschoben. Schon im November sollten sie in ihre Heimat zurückkehren, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihren Antrag auf Asyl abgelehnt hatte. Auch damals war die Familie früh morgens unter großem Geschrei und Tränen der vier Kinder abgeholt und zum Flughafen gebracht worden, erzählen die Bewohner.

Das Flugzeug war jedoch überbucht. Die Familie kam zurück ins Heim. Dort ist die Aufregung nun groß. Denn die Familie hätte am Donnerstagmorgen um 9 Uhr einen Termin im Ausländeramt gehabt. Es ging um eine neue Grenzübertrittsbescheinigung, die ihnen noch etwas Zeit verschafft hätte.

"Ich bin fassungslos", sagte Helena Nguyen. Die 51-Jährige arbeitet ehrenamtlich im ökumenischen Arbeitskreis "Flüchtlinge" mit, der seit Mai, als die ersten Flüchtlinge in das Paulusheim einzogen, die Stadt Bonn bei der Betreuung der Menschen aus vielen Ländern unterstützt. Nguyen wollte das Elternpaar, das vier Töchter im Alter von drei bis 13 Jahren hat, zu einem vereinbarten Termin beim Ausländeramt begleiten. "Sie lebten seit dem ersten Abschiebungsversuch in ständiger Angst", erklärt Nguyen, "und wollten deshalb nicht mehr allein zum Amt gehen."

Sie kann diese Ängste gut nachvollziehen. Ihr Mann Ba Hai Nguyen kam selbst vor 35 Jahren als vietnamesischer Flüchtling nach Deutschland. Nguyen erfuhr von einer Zimmernachbarin von der Abschiebung und machte sich umgehend auf zum Ausländeramt. Doch dort habe sie keinerlei Auskünfte erhalten, berichtete sie. Dabei habe man dort der Familie bei einem Gespräch vorige Woche, bei dem sie zugegen gewesen sei, mündlich einen Aufschub bis Ende Dezember zugesagt.

Bis dahin habe die Familie mit ihrem Anwalt besprechen wollen, welche Möglichkeit noch bestehe, um bleiben zu können. Schließlich hatten zwei Ärzte dem 33-jährigen Familienvater, der wegen Geldschulden in Albanien Morddrohungen erhalten habe, eine schwere posttraumatische Störung attestiert. Zudem fühlten die Eltern sich als Roma in Albanien diskriminiert und verfolgt und sehen auch keine Perspektive für die Kinder in dem Land, das zu den ärmsten Europas zählt.

Diakon Werner Preller von der katholischen Pfarrgemeinde Maria Magdalena, der die Familie persönlich gut kennt, und Pfarrer Uwe Grieser von der evangelischen Trinitatiskirchengemeinde waren über die Abschiebung ebenfalls schockiert. "Das ist eine unmenschliche Vorgehensweise", sagte Grieser.

Doch Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann verteidigt das Verfahren. "Die Familie hatte zweimal unterschrieben, dass sie freiwillig ausreisen wird", sagte er. Das habe sie nicht getan. Deshalb habe die Zentralstelle für Flugabschiebung die erneute Abschiebung angeordnet.

Auf die Frage, warum dann das Ausländeramt noch einen Termin für Donnerstag vereinbart habe, sagte Hoffmann: "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." Zudem habe das Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag einen Eilantrag des Anwalts der Familie auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Der Anwalt war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

"Die Familie wusste seit Monaten, dass der Asylantrag abgelehnt war. In solchen Fällen müssen Anwälte klug beraten", sagte Coletta Manemann, Integrationsbeauftragte der Stadt. Sie bezweifle, ob das in dem Fall geschehen sei. "Letztlich wird aber auf Bundesebene und vor Gerichten entschieden, wer bleiben darf und wer nicht. Wenn man dies grundsätzlich verändern möchte, muss man eine politische Diskussion beginnen. Auf kommunaler Ebene macht diese aber wenig Sinn."

Die Abschiebung

Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag abgelehnt, wird das Ausländeramt der Stadt informiert. Gegen die Ablehnung des Asylantrages kann der Betroffene Rechtsmittel einlegen. Der abgelehnte Asylbewerber kann freiwillig ausreisen. Dabei helfen ihm das DRK oder andere Hilfsorganisationen.

Ist die Person nicht zur Ausreise bereit, ist die Stadt gesetzlich verpflichtet, die Abschiebung einzuleiten. Für eine Abschiebung per Flugzeug übermittelt die Zentralstelle für Flugabschiebung den Termin. Zu diesem muss die Stadt den abgelehnten Asylbewerber am vorgegebenen Flughafen der Bundespolizei übergeben.

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