Seniorenheim in Dottendorf Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln

BONN · Der Vorgang um die plötzliche Teilräumung des Seniorenwohnzentrums Haus Dottendorf hat auch Polizei und Staatsanwaltschaft Bonn auf den Plan gerufen: Wie am Freitag bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in zwei Fällen.

 Plötzliche Verlegungen im Haus Dottendorf am Donnerstag. Für 60 Bewohner der Pflegestufe 2 und 3 musste in wenigen Stunden ein neues Heim gefunden werden.

Plötzliche Verlegungen im Haus Dottendorf am Donnerstag. Für 60 Bewohner der Pflegestufe 2 und 3 musste in wenigen Stunden ein neues Heim gefunden werden.

Foto: Richard Bongartz

Das bestätigte Monika Volkhausen, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, dem GA auf Nachfrage. Bei den Toten soll es sich um zwei Männer im Alter von 70 und 75 Jahren handeln.

Polizeisprecher Robert Scholten sagte dem GA, es habe eine anonyme Anzeige gegeben. Daraufhin haben das Kriminalkommissariat 11, das sich unter anderem mit Todesursachen und Ärzteverfahren befasst, sowie die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Die Ermittler seien im Seniorenheim gewesen und hätten Akten beschlagnahmt.

Die Kripo prüfe jetzt, ob Straftatbestände vorlägen. Nach GA-Informationen sollen die Toten falsche Medikamente erhalten haben. Die beschuldigten Pflegekräfte seien inzwischen fristlos entlassen worden, hieß es. Um wie viele Mitarbeiter es sich handelt, war nicht zu erfahren.

Die Frage, warum vor diesem Hintergrund nicht alle der 95 Bewohner, sondern nur die 65 Senioren mit Pflegestufe 2 und 3 verlegt worden sind, beantwortete die Stadt Bonn als zuständige Heimaufsicht. "Wir haben die Gefährdung für die Pflegestufe 2 und 3 erkannt, und deshalb haben wir diesen Teil geschlossen", sagte Stadtsprecherin Monika Hörig.

Für die darunterliegenden Pflegestufen habe die Heimaufsicht die Pflege für in Ordnung befunden. "Es gibt im Augenblick keinen Anlass, diesen Bereich ebenfalls zu schließen", sagte Hörig. Die Prüfung laufe aber noch. Die Heimaufsicht behalte Haus Dottendorf kontinuierlich im Auge, sei dort im Moment täglich zugegen.

Ehemalige Pfleger, die anonym bleiben möchten, sagten dem GA: "Wir sind seitens der Leitung alleine gelassen worden." Einer kritisierte schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Wertschätzung der Mitarbeiter. Er behauptete, es sei vornehmlich nicht qualifiziertes Personal eingestellt worden, das zum Teil auch kein Deutsch sprechen konnte.

Die Pfleger hätten aber mit Medikamenten und Betäubungsmitteln umgehen müssen. So seien des Öfteren nur zwei Pfleger für 40 Bewohner auf Station gewesen, nachts mussten sie sich sogar um das ganze Haus kümmern. Auch hätten Doppelschichten geleistet werden müssen. Wer gut qualifiziert gewesen sei, sei in der Regel auch schnell wieder gegangen. Viele Kollegen seien Zeitarbeiter gewesen.

Sigrid Averesch vom Landesverband NRW der Ersatzkassen bedauerte, dass es in NRW bislang keinen Schlüssel gibt, der das Verhältnis von Personal zu Bewohneranzahl festlege. Der Stadt zufolge ist der Träger des Dottendorfer Hauses, die Dortmunder Senator GmbH, bereits am Montag mündlich über die geplante Schließung am Donnerstag informiert worden.

"Der schwierige Ablauf kam zustande, da der Träger es versäumt hat, die Bewohner, Angehörige und gesetzliche Vertreter rechtzeitig zu informieren", teilte die Stadt mit. Die Senator GmbH hat sich erst gestern Abend zur Teilschließung geäußert (siehe nebenstehenden Text). In der Unternehmenszentrale hieß es außerdem, dass Bodo Barwig und Thies Boysen von der Geschäftsführung derzeit in Dottendorf seien. Als Grund für die Räumung hatte Barwig am Donnerstag Fachkräftemangel angeführt.

Das sagt Senator

"In unserem Seniorenzentrum Bonn-Dottendorf pflegen und betreuen wir seit 2011 Bewohner aller Pflegestufen. Am 27. März 2014 hat uns der Medizinische Dienst der Krankenkassen mit der Bestnote 1,0 ausgezeichnet. (..) Vollkommen überrascht waren wir aus diesem Grund von der plötzlichen Entscheidung der Heimaufsicht vom 20. Januar 2015, unsere Bewohner der Pflegestufe 2 und höher innerhalb von 48 Stunden in andere Einrichtungen verlegen zu müssen.

Grund dafür seien im Wesentlichen Dokumentationsmängel. Die Anordnung einer so raschen Verlegung von 65 Bewohnern können wir in keiner Weise nachvollziehen und sehen diese als unverhältnismäßig an. Die zusätzliche Belastung der uns anvertrauten Bewohner betrachten wir mit Sorge. Ungeachtet der Verhältnismäßigkeit haben wir unverzüglich gehandelt und durch Kooperation mit naheliegenden Pflegeeinrichtungen die Anordnung befolgt, obwohl wir nicht glauben, dass ein Umzug in ein fremdes Pflegeheim im Sinne unserer Bewohner war."

Qualitätssicherung

Für die Qualitätsprüfungen in Pflegeheimen ist der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zuständig. Jede Pflegeeinrichtung wird vom MDK oder dem Prüfdienst der privaten Krankenversicherung mindestens einmal jährlich unangemeldet geprüft. Damit Verbraucher die Leistungen einzelner Einrichtungen besser beurteilen können, hat der Gesetzgeber 2009 die Transparenzberichte eingeführt, die veröffentlicht werden.

Bewertet werden Pflege und medizinische Betreuung, Umgang mit demenzkranken Bewohnern, soziale Betreuung und Alltagsgestaltung, dann Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene. Auch die Bewohner werden befragt. Noch im März 2014 wurde dem Haus Dottendorf eine Eins attestiert.

"Es kann aufgrund von Veränderungen in der Einrichtung etwa im Personalbereich geschehen, dass die Versorgungsqualität in einer Einrichtung plötzlich schlechter wird", sagt MDK-Sprecherin Barbara Marnach. Transparenzbericht und Pflegenote seien für die Suche nach einem geeigneten Heim nur ein erster Anhaltspunkt.

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