Kinderkrankenhaus Dottendorf Bürger verhinderten die Schließung

DOTTENDORF/POPPELSDORF · Viele gut situierte Bonner Bürger beschäftigten zu Ende des 19. Jahrhunderts junge Hausangestellte. Häufig wurden sie schwanger, was für die jungen Frauen ein sozialer Makel war. Sie erlitten wirtschaftliche Not und wurden oft auch aus der eigenen Familie verstoßen.

 Das alte Bild (oben) zeigt die Burg Dottendorf, an die das Kinderkrankenhaus vor 90 Jahren zog.

Das alte Bild (oben) zeigt die Burg Dottendorf, an die das Kinderkrankenhaus vor 90 Jahren zog.

Foto: Pätow

So gründeten 1884 honorige Bonner Bürger, Apotheker, pensionierte Beamte, Geistliche, Ärzte und Richter an der Dorotheenstraße eine Einrichtung zur Betreuung unehelicher Mütter - jährlich etwa 190 - und deren Kinder. So beginnt die lange Geschichte der Kinderklinik im St.-Marien-Hospital. 1924 entstand das Kinderkrankenhaus rund um die Burg Dottendorf. Vor 20 Jahren erfolgte der Umzug an den Fuß des Venusbergs.

Die Einrichtung an der Dorotheenstraße wurde 1903 zum Magdalenen-Stift. Dann stieg die Zahl der aufzunehmenden Mütter stark an, ein größeres Gebäude wurde gebraucht. "Auf Initiative des Bonner Kinderarztes Dr. Bogen konnte mit finanzieller Hilfe von wohlhabenden Bonnern die Burg Dottendorf mit einem Grundbesitz von 50 Hektar erworben werden", teilt Vera Schweizer, Pressesprecherin des St.-Marien-Hospitals mit.

So wurde vor 90 Jahren der Neubau mit 250 Betten bezogen. "Die Burg selbst diente als Büro und Schwesternwohnheim, ein Nebengebäude wurde zu einer Kapelle umgestaltet. Am Fuße des Venusbergs war damit eine moderne hervorragende Einrichtung entstanden, die auch durch große Liegeterrassen gekennzeichnet war", so Schweizer.

Trotz wirtschaftlichen und weltanschaulichen Drucks während des Nationalsozialismus konnte das Haus weiter ausgebaut werden. 1937 wurde eine Infektionsstation für tuberkulosekranke Kinder mit 40 Betten eingerichtet, 1939 eine Mutter-Kind-Station in einem gegenüberliegenden Haus angemietet.

Die Leute sprachen vom Südsanatorium. "Der ist in Süd", hieß es, wenn man nach der Unterbringung eines Tbc-Kranken fragte. "In den 60er Jahren bestand das Kinderkrankenhaus aus einer Infektionsabteilung, einer Frühgeborenenstation und einer neurologischen Belegstation. Mit 2300 erreichte die Patientenzahl Ende der 60er Jahre ihren Höhepunkt", so Schweizer.

Ein zwölfköpfiges Kuratorium verwaltete die Einrichtung. Das stellte 1980 Pädiater Dr. Christoph Franz als Chefarzt ein. Der wusste da allerdings nicht, dass das Kinderkrankenhaus vor der Schließung stand, denn es bestand ein Überhang von rund 100 Kinderbetten im Bonner Raum. "Durch die Eröffnung der Kinderklinik in St. Augustin sank die Belegung auf 75 Prozent, so dass das Krankenhaus rote Zahlen schreiben musste. Das Haus wurde von der Düsseldorfer Landesregierung nicht mehr in den Bedarfsplan aufgenommen", sagt Vera Schweizer.

So gründeten Bonner eine engagierte Bürgerinitiative gegen die Schließung ihres Kinderkrankenhauses, da die Universitätskinderklinik und die Kinderklinik St. Augustin oft überbelegt waren und der Pflegesatz der Kinderklinik Dottendorf zudem 70 Mark unter dem anderer Häuser lag. Kurz darauf wurde die auf 115 Betten reduzierte Kinderklinik in Dottendorf wieder in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommen.

"Doch eine langfristige Lösung war damit nicht gefunden worden. Bedingt durch die aufwendige Infrastruktur moderner Krankenhäuser war bei dieser Bettenzahl kein kostendeckendes Arbeiten möglich", erinnert Schweizer. "Das Krankenhaus betrieb für seine unrentable Größe sogar eine eigene Küche und eine eigene Wäscherei. Das kann sich ja nicht ausgezahlt haben", so Franz. Deshalb sah man sich nach einem neuen Träger um.

Das Kuratorium war froh, als das Magdalenenstift 1983 von den Franziskanerinnen aus Olpe übernommen und so eine Abteilung des St. Marien-Hospitals wurde. Die neue Kinderklinik mit nun 75 Betten, wurde von Christoph Franz geleitet und die Kinderchirurgie unter Leitung von Dr. Klaus Frohn von Poppelsdorf nach Dottendorf verlegt. Damals wie heute besteht die Kinder- und Jugendheilkunde aus den drei Fachabteilungen Pädiatrie, Kinderchirurgie und Neonatologie.

Franz erinnert sich noch gut an diese Zeiten: "Schwester Amata, Prokuristin der Franziskanerinnen, besichtigte das Haus. Wir haben unsere Frühchen herausgeputzt für diesen Besuch, um ihr Herz zu rühren". Doch es kamen neue Probleme: Das Haus war isoliert, die Geburtshilfe befand sich auf dem Venusberg, bei Problemen mussten Mütter und Babys getrennt werden.

Die Lösung kam mit dem Neubau für ein Kinderkrankenhaus auf dem Venusberg, der 1994 bezogen wurde. 24 Millionen Mark hatte das Land dafür finanziert. Es folgte die Ernennung zum Geburtshilflich-Neonatologischen Schwerpunkt. "Damals wie heute wird das Team zu allen Risikogeburten hinzugezogen", sagt Schweizer.

Als 1994 der Umzug anstand, herrschte bei vielen Mitarbeitern gemischte Stimmung. Wehmut mischte sich mit der Befürchtung, die Eigenständigkeit zu verlieren. Die Geburtshelfer befürchteten einen Ansturm auf die geburtshilfliche Abteilung, dem sie räumlich und personell nicht gerecht werden könnten.

Doch es gab auch durch die vorhandenen zentralen Dienste im Marienhospital wie eine Apotheke, Röntgenabteilung und Labor Arbeitserleichterung. Schwester Hanne Schmidt, die pflegerische Stationsleitung der Neonatologie, sagt: "Wir haben damals den Umzug wie den Einzug in ein Stück Paradies empfunden."

Die Abteilungen heute

Im vergangenen Jahr kamen 2104 Babys im St.-Marien-Hospital auf die Welt, zu Zeiten des Umzugs 1994 waren es rund 680. Die Abteilung Kinder- und Jugendmedizin mit 79 Betten besteht aus den Bereichen Pädiatrie (Chefarzt Dr. Stephan Buderus), Neonatologie (Chefarzt Dr. Werner Garbe) und Kinderchirurgie (Chefarzt Dr. Hanns Bölefahr). Angeschlossen ist eine HNO-Belegabteilung (Chefarzt Dr. Oliver Reich).

Insgesamt sind es jedes Jahr mehr als 5000 Patienten, die in den drei Abteilungen stationär behandelt werden, teilt das Krankenhaus mit.

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