Hasch-Konsum in Bonn Cannabis am Verkaufstresen?

BONN · Wenn es so kommt, wird es wohl ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt sein: Die Piraten im Stadtrat haben sowohl die Grünen als auch die Linkspartei für einen Vorstoß zur Legalisierung von Hasch-Konsum in Bonn gewonnen.

Die Stadtverwaltung soll prüfen, ob im Stadtgebiet "lizensierte Abgabestellen für Cannabisprodukte" eingerichtet werden könnten. Das wollen die drei Parteien am nächsten Dienstag im Sozialausschuss beantragen.

"Die Verbotspolitik der Vergangenheit hat in eine Sackgasse geführt, weil sie illegalen Straßenhandel befördert und keine Kontrolle der Dosierung und Qualität erlaubt", sagt Pirat Felix Kopinski in einer gemeinsamen Erklärung mit der Linkspartei. Die Wahrscheinlichkeit von Gesundheitsschäden sei bei "verantwortlichem Konsum" nicht höher als bei Alkohol und Tabak.

Annette Standop von den Grünen betont, dass das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet werden solle, um die Folgewirkungen zu überprüfen. Mit einer kontrollierten Abgabe an erwachsene Konsumenten könne sichergestellt werden, dass die Cannabisprodukte nicht verunreinigt seien.

"Wir wollen eine Debatte über Sinn und Unsinn eines Cannabisverbots führen, das niemals dazu geführt hat, dass weniger gekifft wird", sagt Standop. Ihre Koalitionspartner konnten die Grünen damit nicht überzeugen: Weder CDU noch FDP tragen den Prüfauftrag an die Stadtverwaltung mit.

Der Handel mit Cannabis ist grundsätzlich verboten, nur geringe Mengen für den Eigenverbrauch sind erlaubt (siehe Infokasten). Staatlich kontrollierte Abgabestellen wären ohne Gesetzesänderung nur mit Ausnahmegenehmigung des Bonner Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte möglich.

Paragraph 3 des Betäubungsmittelgesetzes lässt so etwas zum Beispiel für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu. In den meisten Fällen gehe es dabei um die Behandlungen bestimmter Patienten, erklärt eine Sprecherin des Instituts. Ein Antrag auf Abgabe an Konsumenten sei bisher noch nie gestellt worden. Ähnliche Vorstöße wie in Bonn gab es laut Medienberichten in Köln und Berlin auf Stadtbezirksebene.

Wie die Abgabestellen genau funktionieren sollen - das lassen die drei Bonner Parteien offen.

Kommt der Prüfantrag im Sozialausschuss durch, soll die Verwaltung Vorschläge machen, wie Cannabis legal bezogen werden und die Abgabestellen rechtmäßig betrieben werden könnten. Die Hasch-Abgabe soll zudem auf Personen über 21 Jahren mit Wohnsitz in Bonn beschränkt werden. Vor dem Antrag an das Bundesinstitut schlagen Grüne, Linke und Piraten eine Fachkonferenz mit Suchthilfeträgern, Drogenexperten und Polizei vor.

Im Bonner Polizeipräsidium wird die Diskussion aufmerksam verfolgt, aber nicht kommentiert. Zur Frage, ob Cannabis der Einstieg in härtere Drogen sei, verweist Behördensprecher Robert Scholten auf verschiedene Studien, die sich widersprächen. "Wir können nur feststellen, dass viele uns bekannte harte Konsumenten irgendwann mit Cannabis angefangen haben", berichtet Scholten.

Als Einstiegsdrogen spielten aber auch diverse illegale Pillen eine große Rolle. Dass von verunreinigtem Hasch Gesundheitsgefahren ausgehen, kann die Bonner Polizei nicht bestätigen: Wenn gestreckt werde, so Scholten, dann mit minderwertigen Pflanzenteilen.

Von der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler kommt eine klare Warnung: "Die Studienergebnisse der letzten Jahre zeigen: Es gibt keine Belege dafür, dass Cannabiskonsum unbedenklich ist", erklärte sie im März 2015. "Im Gegenteil: Gerade Jugendliche sind nachweislich besonders gefährdet."

Strafverfahren nehmen deutlich zu

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 kann der Besitz von Cannabis in geringer Menge straffrei bleiben. Das Land NRW hat die Grenze bei 10 Gramm (für den Eigenbedarf) gezogen. Aber auch wenn jemand weniger Hasch bei sich hat, landet der Fall zunächst bei der Staatsanwaltschaft, wie der Bonner Polizeisprecher Robert Scholten betont. Diese entscheidet, ob von der Strafverfolgung abgesehen werden kann.

Die Zahl von Strafverfahren wegen Cannabis-Besitz hat im Bereich des Präsidiums deutlich zugenommen: Waren es 2010 noch rund 600 Fälle, stieg die Zahl 2013 auf 721 und im vergangenen Jahr sogar auf 823 Fälle.

Wegen Handel und Schmuggel von Cannabis gab es 2014 mit 124 Verfahren ungefähr so viele wie im Jahr 2010. Die Aufklärungsquoten liegen jeweils über 90 Prozent.

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