Baum in Buschdorf Eine Kastanie treibt seltsame Blüten

BUSCHDORF · Die üppige Kastanie in einem Garten an der Aegidienstraße ist den Buschdorfern in der Nachbarschaft vertraut. Doch als Anwohnerin Adelheid Schmitz-Brodam jetzt einmal einen bewussten Blick darauf warf, wunderte sie sich sehr.

 Der Baum an der Aegidienstraße hat nicht nur Kastanien an den Ästen, sondern blüht zurzeit auch wieder.

Der Baum an der Aegidienstraße hat nicht nur Kastanien an den Ästen, sondern blüht zurzeit auch wieder.

Foto: Richard Bongartz

"An dem Baum hängen nicht nur Früchte, er blüht außerdem", sagt sie. In der Tat: Die Kastanien sind fast schon reif, dazu zeigen sich überall weiße Blütenknospen. "Das Phänomen des erneuten Austreibens von Rosskastanien im Spätsommer, das heißt im August/September, tritt häufiger an Bäumen auf, die zuvor hohe Blattverluste durch Schädigungen erlitten haben", sagt Christian Gabriel, Referent für Wald- und Forstpolitik bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW). "Die Ursache dafür ist im Falle der Rosskastanie häufig ein Schädlingsbefall der Blätter wie beispielsweise durch die Rosskastanienminiermotte oder einen Pilz, der die sogenannte Blattbräune verursacht."

Das passiert: Bei allen Bäumen stellen die Blätter durch die Photosynthese die Energieversorgung und durch Verdunstung die Wasserversorgung sicher, so der Fachmann. Kommt es zu einem massenhaften Blattverlust in der Wuchsperiode der Bäume im Frühjahr und Sommer, gerät der Baum in Stress. "Als Reaktion darauf werden Hormone freigesetzt, die ein erneutes Austreiben - also die Bildung neuer Blätter - stimulieren", so Gabriel. Auf diesem Weg versuchten die Kastanien das Defizit in der Wasser- und Energieversorgung zu kompensieren.

"Eigentlich ist dieser Mechanismus sehr dienlich, birgt für die betroffenen Bäume aber die Gefahr, dass die neuen, unverholzten Triebe bei frühem Einsetzen von Frost sofort wieder geschädigt werden", sagt der Fachmann. Nach Auskunft von Mathias Niesar, leitender Waldschutzexperte vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW, ist aber auch das nicht existenziell bedrohlich für die Bäume.

Dennoch ist die Rosskastanie - wenngleich auch nicht im Zusammenhang mit dem Buschdorfer Phänomen - ein "großes Sorgenkind für die SDW". So ruft die Schutzgemeinschaft ihre Mitglieder und Untergruppierungen jährlich auf, am zweiten Samstag im November alle restlichen am Boden liegenden Blätter zu sammeln, um der Kastanie eine Verschnaufpause zu verschaffen. "Die Kastanienminiermotte überwintert nämlich in den Blättern, und durch das Sammeln versuchen wir zu erreichen, dass im Folgejahr der Befall später beginnt und somit weniger Miniermotten die Kastanien schädigen können", sagt Gabriel.

Erst die Motte, dann die Bakterien

Neben der Miniermotte setzen nun auch Bakterien den Kastanien zu. "Das Bakterium namens Pseudomonas syringae wurde 2007 erstmals in Deutschland entdeckt", teilte die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald mit. Über Zusammenhänge macht sich Kurt Henseler Gedanken, der bis 1999 im Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer NRW tätig war und auch GA-Leser am Grünen Telefon beraten hat. "Ist es nicht klar und offensichtlich? Der natürliche Kreislauf ist unterbrochen?", so Henseler.

Die von der Motte befallenen Kastanien würden schon sehr früh ihr Laub verlieren und können so keine Nährstoffe mehr in Form von Fetten und Stärke im Holz, in den Wurzeln oder den Früchten einlagern. "Und jetzt ist die Stunde gekommen für Bakterien, zum Beispiel Pseudomonas syringae und möglicherweise auch anderen, die geschwächten Bäume zu infizieren", sagt Henseler. "Wenn es stimmt, wie berichtet wird, dass weißblühende Kastanien stärkeren Befall zeigen, so deckt sich das übrigens auch damit, dass die weißblühenden von der Kastanienminiermotte besonders stark befallen werden." So dürfte der Bakterienbefall sekundärer Natur sein. Die Bäume würden empfindlich geschwächt durch die Kastanienminiermotte.

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