Während der Arbeitszeit zu Hause bleiben Stadt erlässt Feuerwehr 32 000 Stunden

BONN · Für die Bonner Feuerwehr gibt es nach langem Ringen eine Entscheidung über die hohe Zahl der Minusstunden: Sie werden ersatzlos gestrichen - den Beamten also erlassen. Nach GA-Informationen ist dies das Ergebnis einer Sitzung, an der neben Feuerwehrführung und Personalrat auch Stadtdirektor Wolfgang Fuchs und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch teilgenommen haben.

 Wenn's brennt ist die Feuerwehr in Bonn stets zur Stelle, wie hier bei einem Großeinsatz im März 2014 an der Fritz-Schäffer-Straße.

Wenn's brennt ist die Feuerwehr in Bonn stets zur Stelle, wie hier bei einem Großeinsatz im März 2014 an der Fritz-Schäffer-Straße.

Foto: Axel Vogel

Fuchs hat die Streichung auf Weisung von Nimptsch angeordnet und nachdrücklich gefordert, dass keine neuen Unterstunden anfallen dürfen. Die Kommune habe dabei keinen Ermessensspielraum, heißt es im Stadthaus.

Wie berichtet, hatten viele der 345 hauptamtlichen Feuerwehrleute von 2013 bis Ende vergangenen Jahres mehr als 32 000 Minusstunden angesammelt. Das entspricht etwa der Dienststundenzahl, die neun hauptamtliche Wehrleute pro Jahr leisten. Die betroffenen Beamten, quer durch fast alle Ränge, blieben während der Arbeitszeit zu Hause und durften privaten Dingen nachgehen. Statt achteinhalb Schichten, die ein normaler Feuerwehrmann im Monat leisten soll, wurde bei manchen Wehrmännern nur die Hälfte abgerufen.

Überstunden bleiben dagegen bestehen - ohne Vergütung

Die Situation sorgt für Frust bei anderen Feuerwehrleuten, die Überstunden schieben. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass die Wache 1 am Lievelingsweg über spezialisierte Fachleute verfügt, für die es im Sinne einer Einsatzbereitschaft schwerer ist, das ganze Jahr über Ersatz vorzuhalten, erklärt ein Fachmann. Deshalb müssten diese Kräfte mehr Dienststunden leisten. Einige Beamte haben bis zu 500 Überstunden. Was sie besonders ärgert: Während anderen Kollegen die Minusstunden erlassen werden, bleiben die Überstunden stehen - und zwar ohne Vergütung. Das empfinden viele Feuerwehrleute als Ungleichbehandlung, da sie ihren Dienstverpflichtungen über die Maßen nachgekommen sind. Einige wollen sich einen Anwalt nehmen.

Beamtenrechtlich können die Minusstunden wohl nicht mehr eingefordert werden, weil die Arbeitskraft angeboten, aber vom Dienstherrn nicht abgerufen wurde. Der immer wieder geforderte Schnitt blieb aber bislang aus, "weil wohl niemand den Kopf dafür hinhalten wollte, dass diese Arbeitszeit verschenkt wurde", vermutet ein Feuerwehrmann.

Feuerwehrchef Jochen Stein hatte 2014 erklärt, dass die Hauptursache "die immer noch nicht mögliche Nachqualifizierung von Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern" sei. Da dieses Personal bei seiner Nachqualifizierung dem normalen Feuerwehrdienst nicht zur Verfügung gestanden hätte, habe man mehr Feuerwehrleute vorhalten müssen, so Stein.

Insider halten dieses Argument aber für vorgeschoben. Das Thema Nachqualifizierung sei erst 2014 aufgekommen, als längst Minusstunden in großer Zahl existierten. Vielmehr habe die Feuerwehr mit den Folgen einer Dienstmodellumstellung vom Januar 2012 zu kämpfen. Davor war auf einen 24-Stunden-Dienst stets nur ein freier Tag gefolgt, was aufgrund der hohen Belastung zu Empörung bei der Belegschaft, steil ansteigenden Überstunden und anschwellender Krankenquote geführt hatte. Die Amtsleitung stellte deshalb mehr Leute ein, um die vorgeschriebenen 51 Funktionsträger an 356 Tagen einsatzbereit zu halten.

Im laufenden Jahr bereits 6000 neue Minusstunden

Das neue Dienstmodell sieht seit 2012 zwei freie Tage nach einem 24-Stunden-Dienst vor. "Danach wurden die Leute zufriedener, und die Krankenquote sank", berichtet ein Feuerwehrmann. Da seien aber bereits die neuen Kollegen eingestellt gewesen, die nun teils nicht mehr ausreichend beschäftigt werden könnten. Dabei gibt es genug Arbeit auf den Wachen, wie zu erfahren ist. So sind Sonderfahrzeuge wie der Rüstwagen Schiene und das Einsatzfahrzeug zur Tierrettung jeweils nur mit einem Mann besetzt. Zu wenig, sagen Fachleute. "Wie soll ich einen entlaufenen Schäferhund einfangen und gleichzeitig in den Käfig sperren, wenn mir kein Passant helfen würde?", wollte dem Vernehmen nach der Feuerwehrmann, der die Tierrettung übernimmt, kürzlich auf einer Personalversammlung von Dezernenten Wolfgang Fuchs wissen. Auch scheitere es nicht an der Motivation: "Die Leute wollen ja arbeiten, aber sie dürfen nicht", ist ein oft gehörter Vorwurf. "Wir brauchen keine zusätzlichen Mitarbeiter auf den Wachen, weil wir für die dort keine Arbeit haben", soll Fuchs auf der Personalversammlung bekräftigt haben. Zu den Vorwürfen sagt die Stadt: "Wir werden grundsätzlich zu anonymer Kritik in Bezug auf die Feuerwehr keine Stellung mehr beziehen", so der stellvertretende Stadtsprecher Marc Hoffmann. Auch die Personalvertretung der Feuerwehr wollte sich mit Hinweis auf laufende Verhandlungen nicht äußern.

Dass die Feuerwehr langfristig neun Beamte zu viel hat, glaubt ein vom GA befragter Fachmann nicht. Zumal die von der Führung angekündigte Nachqualifizierung der Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern noch nicht angelaufen sei. Am 1. Juli soll zudem eine neue Feuerwache in der Uniklinik in Betrieb gehen: Zunächst sollen auf dem Venusberg drei, später sechs Beamte stationiert werden. Auf die Frage, ob daran gedacht sei, bei der Feuerwehr Personal zu reduzieren, antwortete das Presseamt knapp: "Nein."

Mit der Vorgabe des Dezernenten Fuchs, keine neuen Minusstunden anzuhäufen, dürfte die Feuerwehrführung Probleme bekommen. Wie der GA erfuhr, haben sich im laufenden Jahr schon wieder rund 6000 Unterstunden angesammelt.

Stadt zahlt 18,8 Millionen Euro für die Feuerwehr

Die Gesamtpersonalkosten für Feuerwehr und Rettungsdienst

beliefen sich 2014 nach Angaben des Presseamtes auf 22,4 Millionen Euro für den Einsatzdienst, Führungskräfte und Verwaltung. Davon trägt die Stadt rund 18,8 Millionen Euro. Die 3,6 Millionen Euro, die auf den Rettungsdienst entfallen, werden komplett refinanziert. Im Rettungsdienst werden gemäß Kommunalabgabengesetz Benutzungsgebühren erhoben.

Das veranschlagte Gebührenaufkommen deckt die voraussichtlichen Kosten und soll diese nicht übersteigen. Die Anteile für im Bereich Rettungsdienst entstandene Kosten werden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt, auf Grund rechtlicher Vorgaben nach Gebührenrelevanz abgegrenzt und Krankenkassen oder Privatpatienten in Rechnung gestellt.

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