Remigiusplatz Meinungen über die Cragg-Skulptur gehen weit auseinander

BONN · Ja was ist sie denn nun? Eine abstrakte Felssäule? Eine verhunzte Kurbelwelle? Die Nachbildung einer Tropfsteinhöhle? Oder verstecken sich lauter geheimnisvolle Gesichter in der goldfarbenen, sechs Meter hohen Bronzeskulptur auf dem Remigiusplatz?

Fest steht: Die Kinder haben sie jedenfalls schon in ihr Herz geschlossen. Als begehrtes Klettergerüst. Mitte Juni wurde das Werk des britischen Künstlers und ehemaligen Rektors der Düsseldorfer Kunstakademie, Tony Cragg, mit dem klangvollen Titel "Mean Average" ("Mittelwert"), feierlich vor illustrer Gästeschar enthüllt.

Dabei war auch Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein Bewunderer Craggs. Und schon ist das Kunstwerk nicht nur beliebtes Fotomotiv für Bonn-Touristen, sondern auch Anlass für wilde Spekulationen und kontroverse Diskussionen.

Nein. Über Kunst lässt sich eigentlich nicht streiten. Eigentlich. "Was soll der Quatsch?", fragt sich Anneliese Pasz. Die 81-Jährige ist mit ihrer Freundin Margarete Schwanenberg (82) in der Innenstadt unterwegs, als sie auf Craggs Skulptur stößt. Naserümpfend nehmen die beiden alten Damen das Werk näher in Augenschein. Und bleiben bei ihrem vernichtenden Urteil.

"Einfach nur gruselig", sagt Margarete Schwanenberg. Da hätte die Stadt das Geld doch viel besser in Bänke auf dem Münsterplatz investiert, schimpft Freundin Anneliese. Doch die Stadt hat keinen Cent in das Kunstwerk gesteckt. Auf dem Remigiusplatz steht es nur dank der Initiative der Bonner "Stiftung für Kunst und Kultur" und der finanziellen Unterstützung des Bonner Kaufmanns Jörg Blömer. Eine Information, die die beiden Frauen etwas versöhnlicher stimmt. "Und warum kann man das hier nirgendwo lesen?", fragen sie.

Auch andere Passanten vermissen einen Hinweis auf Stifter und Künstler. "Klar, man kann natürlich auch seiner Fantasie freien Lauf lassen", meint der Zahnarzt Moustafa Darwish (66). Aber einen kleinen Hinweis, wer die Skulptur geschaffen hat und was sie darstellt, fände er schon ganz hilfreich. "Insgesamt ist sie für mich aber eine Bereicherung für die Bonner Innenstadt", lobt er das Werk.

Thomas Rüsche, der in der Nähe des Remigiusplatzes wohnt, ist nicht überzeugt. "Also, mir fällt dazu gar nichts ein. Ich habe absolut keine Idee, was sie darstellt", meint der 30-jährige Jurist. "Das passt doch gar nicht zu Bonn." Auch sein Vater Antonius Rüsche (65) rätselt über den künstlerischen Hintergrund des Bronzewerkes.

"Für mich sieht es aus wie eine verhunzte Kurbelwelle". Einig sind sich Vater und Sohn, dass der Standort nicht gut gewählt ist. "Die roten und grauen Platten des Platzes passen nun gar nicht. Da hätte man wenigstens unter der Skulptur etwas anderes verlegen müssen", meint Thomas Rüsche.

Björn Spielberg ist dagegen ganz angetan von Craggs bildhauerischer Kunst. "Ich finde sie irgendwie ganz schön. Einfach imposant", sagt der 36-jährige Diplom-Kaufmann, während sein sechs Monate altes Töchterchen Minke begeistert in das Regenwasser patscht, das sich in einer Vertiefung der Skulptur angesammelt hat. "Das sieht ja aus wie eine Vogeltränke", wirft Anneliese Pasz verächtlich ein, bevor sie mit ihrer Begleiterin weiterzieht.

Die meisten Passanten, die sich dem Werk Craggs nähern, gehen erst einmal auf Tuchfühlung mit dem kühlen Material. Der Ton ist metallisch, wenn man darauf klopft. Und das tun fast alle. "Das wird nicht lange dauern, dann platzt der Goldton ab", meint Schülerin Friederike (16). Sie findet die Skulptur "cool".

Der Bonner Ralf Klingbeil ist angesichts der kletternden Kinder ein wenig besorgt, ob das Kunstwerk auch sicher im Boden verankert ist. Nicht auszudenken, wenn der Koloss umstürzt. "Na ja, der wird schon sicher stehen", meint er bei näherer Betrachtung, "und besser als die Beethoven-Skulptur von Lüpertz im Stadtgarten finde ich ihn allemal", sagt er. Frauke Schröder (31) und Torsten Ulke (43), deren Sohn Benjamin (7) sich ebenfalls eifrig als Klettermaxe an der Skulptur versucht, sind voller Bewunderung. "Es braucht doch Kunst in der Stadt", loben sie die Initiative der Stiftung und des Kaufmanns Blömer.

Remigiusplatz-Planung

Bereits 2007 hat die Bezirksvertretung Bonn beschlossen, den Remigiusplatz neu zu gestalten. So soll unter anderem die unterirdische Toilettenanlage beseitigt werden. Es sind zudem Ideen gefragt, wie die seit Schließung des einstigen Kaffeehauses freigewordene Platzfläche sinnvoll genutzt werden kann.

Aufgrund der Haushaltslage mussten die Pläne Bezirksbürgermeister Helmut Kollig zufolge bisher immer wieder aufgeschoben werden. Kollig will die Planung aber in die nächsten Haushaltsberatungen aufnehmen.

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