Altes Viktoriabad in Bonn Bäderbasilika mit gigantischem Portal

BONN · Antiker Tempel, Basilika, orientalischer Basar: Stefanie Pasternok kommt schnell ins Schwärmen, wenn sie das alte Viktoriabad beschreibt. "Das Gebäude-Ensemble war wirklich ganz einzigartig in dem Karree zwischen Rathausgasse, Stocken- und Franziskanerstraße", erklärt die Studentin der Kunstgeschichte.

Am alten Viktoriabad: Stefanie Pasternok zeigt den Teilnehmern der Führung historische Darstellungen des 1967 abgerissenen Hallenbads. Mittlerweile wird auch über den Abriss des geschlossenen Nachfolgerbades diskutiert, weil dort ein neues Geschäftsviertel entstehen soll.

Am alten Viktoriabad: Stefanie Pasternok zeigt den Teilnehmern der Führung historische Darstellungen des 1967 abgerissenen Hallenbads. Mittlerweile wird auch über den Abriss des geschlossenen Nachfolgerbades diskutiert, weil dort ein neues Geschäftsviertel entstehen soll.

Foto: Barbara Frommann

Das wissen auch die mehr als 50 Besucher, die sich vor Kurzem mit ihr an historischer Stelle trafen. "Mit so vielen Interessenten habe ich gar nicht gerechnet", freut sich Stefanie Pasternok. Sie gehört zur Gruppe "Werkstatt Baukultur Bonn".

Diese Gruppe von Absolventen und Studierenden am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn befasst sich mit baukulturellen Fragen, Architektur, Städtebau sowie Denkmalpflege. Neben Themen wie der Bonner Südstadt und dem Regierungsviertel stehen Bauten und Anlagen der Nachkriegsmoderne im Mittelpunkt verschiedener Führungen. Diesmal war das Viktoriabad Ziel der Exkursion.

Am 24. April 1903 wurde mit dem Bau des ersten städtischen Hallenbades begonnen. Bis dahin konnten die Bonner nur im Sommer in den Rheinbadeschiffen plantschen. Der Bau eines Hallenbades wurde jedoch nicht allein aus sportlichen Gründen forciert. "Nur ganz wenige Häuser und Wohnungen verfügten damals über eigene Bäder. Anfang des 20. Jahrhunderts war es durchaus üblich, die Wannenbäder eines öffentlichen Schwimmbades zur Körperpflege zu besuchen", erklärt die Studentin. Allerdings streng getrennt: Für Männer und Frauen gab es eigene Schwimmhallen und Wannenbäderbereiche. Schon am Eingang wurden die Besucher getrennt: Männer links, Frauen rechts.

Zwar existieren kaum Bilder des alten Viktoriabades, doch anhand einiger weniger Abbildungen konnte Stefanie Pasternok den imposanten Baustil des Gebäudes anschaulich präsentieren. Schon allein der Eingang war gigantisch. Das Portal wurde von zwei riesigen Figuren flankiert. "Halb Mensch, halb Wasserwesen", so die Studentin und lenkte den Blick nach unten. "Die Figuren hatten keine Füße, sondern Fischflossen." Über den Fabelwesen schwebten zwei Putten, die das Bonner Stadtwappen trugen. "Portal, Eingangsbereich und Vorhalle waren eine Mischung aus Neu-Renaissance, Historismus und antikem Tempel", resümiert die Studentin.

Die beiden Schwimmhallen waren jeweils wie eine Basilika gebaut: Der Beckenbereich war das Mittelschiff, rechts und links davon gab es zwei Seitenschiffe, in denen Umkleidebereiche untergebracht waren. "Die Schwimmhalle der Männer war allerdings wesentlich größer als die der Frauen", erklärt Stefanie Pasternok anhand eines alten Bauplanes. Außerdem hatten die Herren direkt an den Becken kleine Baldachine, unter denen sie sich umziehen konnten. "Die sahen aus wie orientalische Zelte."

In beiden Weltkriegen wurde das alte Viktoriabad zerstört. "Es wurde jedoch immer innerhalb kürzester Zeit wieder aufgebaut. Das zeigt, wie wichtig das Viktoriabad für die Bonner war", so Stefanie Pasternok. 1967 wurde das Gebäude schließlich komplett abgerissen. "Wenn wir uns heute die Bilder des alten Viktoriabades ansehen, dann würde sicher niemand mehr für einen Abriss stimmen. Wer weiß, wie wir in 30 oder 40 Jahren über die aktuellen Neubaupläne urteilen werden", so die Studentin.

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