Studieren mit Kind Spagat zwischen Hörsaal und Wickeltisch

BONN · Rund fünf Prozent aller Studenten sind Eltern. Die 27-jährige Gesa Heß gehört dazu.

Gesa Heß seufzt kurz, als sie an den Treppen in der Mensa der Uni Bonn stehen bleibt: "Kinderwagenfreundlich ist es hier leider nicht." Dann packt sie zu, nimmt den Wagen mit ihrer Tochter Matilda und trägt ihn die Stufen hinunter. Statistisch gesehen sind 1625 der Studenten an der Bonner Uni Mutter oder Vater - eine davon ist Gesa Heß.

Während viele das Studentenleben mit durchgefeierten Nächten in der WG und verschlafenen Vormittagen in Verbindung bringen, werden Heß und ihr Mann seit einem halben Jahr spätestens um sieben von ihrer kleinen Tochter geweckt. Die Studentin der Ernährungswissenschaften entschloss sich im vergangenen Jahr, ihren Master im Lehramt zu machen. Gleich zu Beginn des Masterstudiums hatte sie einen Verdacht und machte einen Schwangerschaftstest. Und dann gleich noch einen, um sicher zu sein. Dann rief sie ihre beste Freundin an: "Ich bin schwanger."

Geplant war das nicht, erzählt Heß, "aber wenn es dann passiert, ist es auch nicht so schlimm." Mit 27 Jahren liegt sie gar nicht weit unter dem Altersdurchschnitt deutscher Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes - nur der Lebensabschnitt ist eher ungewöhnlich. Rund fünf Prozent aller deutschen Studenten sind laut der Sozialerhebung des deutschen Studentenwerkes Eltern.

Seit 2011 ist die Uni Bonn als familienfreundliche Hochschule zertifiziert. "Soweit ich mitbekommen habe, ist hier alles sehr familienfreundlich", sagt Heß. Mit der Zertifizierung gehen höhere Ansprüche an die Kinderfreundlichkeit einher. So gibt es zum Beispiel einen Still- und Wickelraum. Heß hat ihn noch nie genutzt; sie vermeidet es, ihre Tochter mit zur Uni zu nehmen. "Das wäre mir irgendwie unangenehm", sagt sie.

Eine große Hilfe sei ihr dafür das Familienbüro gewesen. Zwei Mitarbeiterinnen beraten dort rund 500 Studenten und Uni-Mitarbeiter im Jahr. Sozialarbeiterin Sandra Thielen leitet das Büro momentan. "Es ist schwierig, einen perfekten Zeitpunkt zum Kinderkriegen zu benennen", sagt sie. "Natürlich fällt es schwer, für eine Klausur zu lernen, wenn das Kind krank ist. Dafür lässt sich ein Studium flexibel gestalten, zum Beispiel durch Urlaubssemester."

"Ich wollte meinen Kopf dann auch wieder mal anders benutzen und im Studium bleiben"

Bis zu sechs Semester dürfen Studenten zur Erziehung eines Kindes aussetzen. In dieser Zeit können sie zwar Prüfungen ablegen, müssen aber keine Veranstaltungen belegen. Dem Asta, dem allgemeinen Studierendenausschuss der Uni, ist das nicht genug. Nach den drei Jahren würde für Mütter und Väter die normale Anwesenheitspflicht gelten. "Danach ist man von der Kulanz der Dozenten abhängig, und da gibt es immer wieder Probleme", sagt eine der zwei Mitarbeiterinnen des Referats für Studieren mit Kind. "Viele stellen auf stur und wollen so eine Pseudo-Gleichberechtigung erreichen."

Gesa Heß dagegen stört das nicht. Zehn Tage vor der Geburt schrieb sie noch eine Prüfung, danach verbrachte sie während der Semesterferien fünf Monate mit ihrer Tochter zu Hause und nahm dann ihr Studium ohne Unterbrechung wieder auf - auch wenn sie zunächst nur zwei Veranstaltungen belegte. "Ich wollte meinen Kopf dann auch wieder mal anders benutzen und im Studium bleiben", sagt sie. "Eigentlich war es ein guter Zeitpunkt." Da ihr Mann arbeitet und sie für das Studium einen Kredit aufgenommen hat, fällt die Finanzierung leichter als bei "typischen" Studentenpaaren. Gerade im Lehramtsstudium habe sie außerdem nur positive Unterstützung bekommen.

Dennoch hat sich Heß' Leben grundlegend verändert. "Am Anfang hat man Panik - “oh Gott, ich bekomme ein Kind„", erzählt sie und lacht: "Das sind aber bestimmt auch die Hormone." Schon in der Schwangerschaft sei vieles mühseliger geworden, "und als Matilda dann da war, hat sich alles verändert. Man muss viel Rücksicht nehmen, alles dreht sich um das Kind". Viele hätten ihr das vorher schon erzählt - "aber geglaubt habe ich es nicht ganz".

In diesem Semester ist die 27-Jährige wieder voll ins Studium eingestiegen. Über das Familienbüro hat sie für Matilda noch einen Platz in der neuen Kita des Studentenwerks ergattert. Und nachdem Gesa Heß mit dem Stillen aufgehört hat, kann sie nun auch mal wieder anstoßen - zuletzt auf ihrer kirchlichen Hochzeit.

Unterstützung für studierende Eltern an der Uni Bonn

  • Im Familienbüro der Universität beraten zwei Mitarbeiterinnen zur Vereinbarung von Universität und Kind, zu Betreuungsmöglichkeiten und zur finanziellen Hilfe wie dem Elterngeld.
  • l Im Asta Referat "Studieren mit Kind" beraten zwei Mitarbeiterinnen montags und freitags von 10 bis 12 Uhr. Außerdem hat der AStA zusammen mit Studentenwerk, der Uni und dem Verein La familiär eine flexible Kundenbetreuung aufgebaut. Bei "Kinderstern" werden Kinder von Studenten für maximal 100 Euro im Semester bis zu 25 Stunden in der Woche betreut. Für das kommende Semester sind noch Plätze frei.
  • l Das Studentenwerk betreibt fünf Kindertagesstätten mit insgesamt 221 Plätzen für Kinder von Studenten und Mitarbeitern der Universität. Knapp die Hälfte davon können mit Kindern, die jünger als drei Jahre alt sind, besetzt werden. Außerdem gibt es in den Studentenwohnheimen familiengeeignete Apartments und die Aktion "Bonn-a-petit": Kleinkinder dürfen zusammen mit ihren Eltern kostenlos in den Mensen essen.
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