Kürzung der Zuschüsse Sorgen der Wohlfahrtsverbände um das soziale Netz

BONN · Es gibt sie nach wie vor, trotz des Runden Tisches gegen Kinderarmut: die soziale Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen. Schlimmer noch: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auch in Bonn weiter auseinander.

Nicht zuletzt, weil einkommensschwache Familien mit zwei und mehr Kindern riesige Probleme haben, bezahlbare Wohnungen zu finden. Das ist das Bild, das die großen Bonner Wohlfahrtsverbände - Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie, der Paritätische und die jüdische Synagogengemeinde - kurz vor der Kommunalwahl zeichnen.

Und es könnte aus ihrer Sicht noch schlimmer kommen: "Es geht die Angst um, dass das soziale Netz reißt", sagte der Geschäftsführer der Diakonie, Ulrich Hamacher, im GA-Gespräch mit Blick auf die hohe Verschuldung Bonns und mögliche Zuschusskürzungen fürs Soziale.

Dabei muss die Stadt den Löwenanteil der Sozialausgaben per Gesetz ohnehin zahlen: rund 150 Millionen Euro Pflichtleistungen pro Jahr, davon allein rund 70 Millionen Euro Kostenzuschuss für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Empfängern.

Die sogenannten freiwilligen Leistungen machen mithin nur einen Bruchteil aus: Zwei bis drei Millionen Euro fließen in Sozialleistungen und in die Jugendhilfe. Gerade Letztere sei für die Gesellschaft enorm wichtig, betonte Caritasdirektor Jean-Pierre Schneider: "Je mehr man an der Jugend spart, desto höher sind die Folgekosten".

Mit den Zuschüssen für die Jugendhilfe unterhalten die Wohlfahrtsverbände zum einen die offenen Ganztagsgrundschulen (OGS), zum anderen die Offenen Türen (OT). Gerade in Stadtteilen mit sozialen Brennpunkten seien die OT enorm wichtig, meint Schneider.

Doch bei beiden Angeboten, OGS und OT, seien die Wohlfahrtsverbände als Träger am Ende der Finanzierungsmöglichkeiten, warnen deren Sprecher Politik und Stadtverwaltung. In beiden Fällen haben die Träger vor allem damit zu kämpfen, dass sie die Qualität der Angebote halten wollen, die Refinanzierung aber wegen gestiegener Lohnkosten immer schwieriger wird: "Bei den Offenen Türen zahlen wir mittlerweile 25 Prozent selbst.

Wünschenswert wären zehn Prozent, mehr ist auf Dauer nicht zu schaffen", so Schneider. Und auch bei den OGS müssten die Träger die seit 2009 um 12,5 Prozent gestiegenen Lohnkosten kompensieren. "Dabei sind die Kosten für eine inklusionsfreundliche OGS noch gar nicht berücksichtigt." Wenn bei den OGS finanziell nicht nachgelegt wird, fürchten die Träger weitere Einschnitte bei den Angeboten und längere Schließzeiten in den Ferien.

Wenn es um die Linderung von Armutsfolgen gehe, müsse in Bonn vor allem bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, weisen die Wohlfahrtsverbände auf einen aus ihrer Sicht weiteren großen, wunden Punkt in Bonn hin: "Es fehlen 5000 bezahlbare Wohnungen", sagte Hamacher.

"Und es bräuchte einen Masterplan, damit diese Wohnungen auch tatsächlich bald gebaut werden. Es ist erstaunlich, wie passiv die Politik diesem Problem gegenübersteht." Dabei gebe das Land jährlich 50 Millionen Euro an Zuschüssen für den sozialen Wohnungsbau, gibt Franz-Josef Windisch von der Arbeiterwohlfahrt zu bedenken.

Vergleichsweise wenig Geld kosten die elf Beratungsstellen für Senioren in den Altenheimen, die SPOTs. 2004 eingerichtet, werde dort wertvolle Beratungsarbeit für Senioren mit sozialen und finanziellen Problemen geleistet, sagte Schneider. Doch auch hier zahlt die Stadt der Caritas seit April statt 33.000 nur noch 30.000 Euro, die Caritas sieht daher die gute, qualifizierte Arbeit in den SPOTs gefährdet.

Auf einem Positionspapier mit den Schlagworten "Soziale Netze stärken", "Chancengleichheit sichern" und "Armut bekämpfen" haben die Verbände ihre zentralen Forderungen niedergeschrieben. Sie sollen der Politik nun vorgelegt werden. "Entscheidend wird sein, dass wir nach der Wahl darauf achten, dass diese Forderungen auch umgesetzt werden", so Schneider.

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