Bonner Aktionsbündnis Mütter gehen für ihre Rente auf die Straße

BONN · Nicht etwa Twitter und das Internet, sondern Bonn ist der Ursprung eines neuen Aufschreis für Rechte von Frauen, genauer gesagt von Müttern. Die unterschiedliche Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Rente von Frauen sei ungerecht, findet das Bonner Aktionsbündnis "Mütter für Rentengerechtigkeit". Mit Wäscheständern, Kinderwagen und Transparenten in Form von Stoffwindeln protestierten die Mitglieder gestern gegen die Ungleichbehandlung von Müttern in der Rentenpolitik.

Zurzeit bekommen Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben pro Kind nur einen Rentenentgeltpunkt statt drei wie jüngere Mütter. Nach Berechnungen des Aktionsbündnisses mache das für eine Rentnerin in Westdeutschland einen Unterschied von monatlich rund 56 Euro aus.

"Ich habe drei Kinder groß gezogen und merke, dass das vom Staat überhaupt nicht honoriert wird", sagte Brigitte Neuß, die wie ihre Mitstreiterinnen demonstrativ mit einer Hausfrauenschürze bekleidet war. Auslöser für ihr Engagement und der Gründung des Aktionsbündnisses war eine Äußerung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, nach der eine Anhebung der Rentenansprüche für die aufgewandte Erziehungszeit von Müttern vorerst nicht möglich sei. Als Grund nannte er unter anderem neue Hilfszahlungen für Griechenland. Zuvor hatte die CDU auf ihrem Parteitag allerdings eine Besserstellung älterer Mütter als Teil des Konzepts der Lebensrente bereits beschlossen.

"Ich habe Verständnis für die Hilfszahlungen an Griechenland. Ich fühle mich als Europäerin. Aber für diverse unnötige Ausgaben, wie der Bonn-Berlin-Umzug habe ich kein Verständnis, wenn das zu Lasten der Mütter geht", ärgerte sich Gisela Franke-Niemeyer. Die 62-Jährige ist Mutter zweier heute erwachsener Kinder und daher selber von der Regelung betroffen. Dem Aktionsbündnis hat sie sich spontan angeschlossen, nachdem sie in der GA-Berichterstattung von der Gründung der Gruppe erfahren hatte. In den Gesprächen mit den Passanten habe die Lehrerin viel Unterstützung erfahren und zahlreiche Unterschriften gesammelt. Außerdem verteilten die Frauen Musterbriefe, mit denen Unterstützer ihre Forderungen an Bundestagsabgeordnete weiterleiten können.

Zeitgleich zur Protestaktion des Aktionsbündnisses machten Mitarbeiterinnen des autonomen Frauenhauses "Frauen helfen Frauen" in Bonn am anderen Ende der Innenstadt auf die bundesweite Situation der Einrichtung aufmerksam. Unter dem Motto "Schwere Wege leicht machen" starteten Frauenhäuser in ganz Deutschland gestern eine Kampagne, die es gewaltbetroffener Frauen und ihren Kinder besser ermöglichen soll, schnellen und unbürokratischen Zugang zu Schutz und Hilfe zu erlangen.

"Wir fordern die Politiker auf, eine einheitliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, die dafür sorgt, dass alle Frauenhäuser verlässlich finanziert werden", sagte Karola Schneider. Außerdem müssten die Einrichtungen barrierefrei umgebaut werden, damit auch Frauen mit Behinderungen Zugang erhielten. Zusammen mit Elsa Bleeck organisierte sie den Infostand in der Poststraße, an dem sie fleißig Unterschriften sammelten. "Seit 30 Jahren kämpfen wir unentwegt um Gelder, mit denen wir unsere Einrichtungen und Öffentlichkeitsarbeit bestreiten", sagte Bleeck.

Gerade mal sieben Euro beträgt der Satz, den eine Frau zahlt, die in das autonome Frauenhaus in Bonn flüchtet. Dazu bekommt der Verein "Frauen helfen Frauen" öffentliche Fördermittel. "Das reicht aber nicht annähernd aus, um die Kosten zu decken", so Schneider. "Die Finanzierung darf nicht im Vordergrund stehen. Alle Frauen, die Hilfe suchen, müssten einen Platz finden."

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