Prozess um Drogengeschäfte "Mit ihm zog der Drogenhandel ins Haus"

BONN · Ein 49-Jähriger Bonner soll die Sucht seiner Mitbewohner ausgenutzt und sie zu Mittätern seiner Geschäfte gemacht haben.

 Die sechs Angeklagten sollen auch die Drogenszene im und um das Bonner Loch mit Heroin und Kokain versorgt haben.

Die sechs Angeklagten sollen auch die Drogenszene im und um das Bonner Loch mit Heroin und Kokain versorgt haben.

Foto: Volker Lannert

Die zwei Frauen und die vier Männer auf der Anklagebank sollen drei Monate lang die Süchtigen im Bonner Loch mit Heroin und Kokain versorgt haben. Mehr als 100 Süchtige warteten von Herbst 2013 bis Januar täglich auf die sogenannten Läufer, die ihnen den Stoff aus einem Haus in Beuel brachten.

Dort wohnte der mutmaßliche 49-jährige Kopf der Gruppe, und dort wohnten auch die beiden Frauen und einer der Männer, die nun mit ihm vor der vierten Großen Strafkammer sitzen. Und am ersten Prozesstag wird klar: Der 49-Jährige nutzte die Sucht seiner Mitbewohner für seine Drogengeschäfte schamlos aus.

Beide Frauen machen nun reinen Tisch und schildern, wie mit dem 49-Jährigen der Drogenhandel in dem Haus, in dem sie wohnten, Einzug hielt. Es sind tragische Geschichten, die sie zu erzählen haben, und Kammervorsitzender Josef Janssen stellt denn auch fest: "Hier ist eher ein Therapeut gefragt als ein Strafgericht." Die 34-jährige mehrfache Mutter wurde schon mit 14 süchtig.

Immer wieder machte sie Therapien, auch um das Trauma einer Vergewaltigung zu bewältigen. Als der 49-Jährige in ihr Leben trat, kämpfte sie gerade darum, Boden unter die Füße und ihre Kinder zurückzubekommen. Die 45-Jährige berichtet, dass sie im Sommer 2013 nach Jahren der Heroinsucht endlich ohne Drogen und nur mit Ersatzstoff ausgekommen sei, als in das Haus in Beuel der 49-jährige Angeklagte einzog. Der habe bis dahin von Schrottdiebstahl gelebt. "Und dann bekam er mit, dass hier viele Ex-Abhängige wohnten", sagt sie.

Zu der Zeit sei es bei ihr gerade gut gelaufen: Sie hatte einen Freund, der ebenfalls in dem Haus wohnte und von den Drogen los war, sie hatten beide kleine Jobs. Und dann sei der 49-Jährige auf die "glorreiche Idee gekommen, dass mit Drogenhandel viel mehr Geld zu machen war". Und sie und die anderen, auch ihren Freund, habe er dafür ausgenutzt. Der 49-Jährige habe Drogen eingekauft, und plötzlich hing sie wieder an der Nadel.

"Warum?" will Richter Josef Janssen wissen. "Weil es da war, man konnte sich ihm kaum entziehen", sagt die Frau, die ihre Mutter nicht kennt und ihrem Verteidiger zufolge "schlimme prägende Erlebnisse durch ihren Vater hatte". Die Sucht hatte sie wieder im Griff. "Und er forcierte sie", sagt sie über den 49-Jährigen.

Für ihn portionierte sie das Heroin und erhielt dafür etwas Kokain. Für ihren Bedarf habe das aber nicht gereicht, sie musste bei ihm Heroin dazukaufen. "Er ließ mir im Monat 20 Euro", sagt sie. Er selbst habe, wie auch sein nun ebenfalls angeklagter 22-jähriger Vertrauter, keine Drogen genommen. "Wir Abhängige waren in seinen Augen das Allerletzte", sagt sie bitter. Ihr Freund, ein weiterer Mitangeklagter und zahlreiche andere Süchtige arbeiteten für den 49-Jährigen als "Läufer", bis die Polizei nach einem Tipp aus der Szene am 8. Januar zuschlug. Seitdem sitzt der 49-Jährige in U-Haft.

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