Live Übertragung des Karfreitagsgottesdienst Mit Wunden leben lernen

BONN · Kaum ein Flüstern oder Husten war zu hören, während von draußen das Zehn-Uhr-Läuten gedämpft ins Innere der Kreuzkirche drang. Der Karfreitagsgottesdienst in der evangelischen Stadtkirche am Kaiserplatz war sehr gut besucht: Die ARD übertrug den Gottesdienst 90 Minuten lang live und bundesweit.

 Auch Tanzeinlagen filmte das ARD-Team beim Karfreitagsgottesdienst in der Kreuzkirche.

Auch Tanzeinlagen filmte das ARD-Team beim Karfreitagsgottesdienst in der Kreuzkirche.

Foto: Barbara Frommann

Die zahlreichen Übertragungswagen vor und die insgesamt sieben Kameras in der Kirche taten der feierlichen Ernsthaftigkeit der Veranstaltung aber keinerlei Abbruch: Die Atmosphäre sei eigentlich nicht anders als in den letzten Jahren, fand Gottesdienstbesucherin Regina Klein und sprach damit aus, was offenbar viele so empfanden. Nur etwas voller als in den letzten Jahren sei es diesmal, meinte ihr Partner Till Heppe.

Auch Kreuzkirchen-Pfarrer Gerhard Schäfer freute sich über einen "sehr dichten Gottesdienst". "So weit ich das von der Kanzel aus beobachten konnte, haben die Gläubigen intensiv zugehört und die Kameras irgendwann kaum mehr wahrgenommen", sagte Schäfer. Einige Besonderheiten waren der Fernsehübertragung aber dennoch geschuldet: So gab WDR-Landespfarrerin Petra Schulze vor der Übertragung einige Informationen zum Ablauf, insbesondere zum Ansingen der Lieder: Wer nicht mitsingen wolle, der könne doch fürs Fernsehen ein bisschen "playbacken", bat sie die Gläubigen vorab. Außerdem waren alle Besucher gehalten, ihre Plätze frühzeitig einzunehmen und sie während des Gottesdienstes nicht zu verlassen.

"Mit Wunden leben lernen" - das Motto unter dem der Gottesdienst stand, erhielt durch den schrecklichen Flugzeugabsturz in der vergangenen Woche eine beklemmende Aktualität. Aber auch auf die Wunden, die der Zweite Weltkrieg geschlagen hat oder die Flüchtlinge ertragen müssen, die aufgrund von Krieg und Katastrophen ihre Heimat verlassen mussten, gingen die Mitwirkenden des Gottesdienstes ein. Filmemacher Georg Divossen berichtete in einem Einspielfilm aus dem unter der Kirche liegenden Luftschutzbunker über die Bombardierungen während des Zweiten Weltkriegs.

"Wunden wahrnehmen", "Wunden verbinden" und "Mit Wunden leben lernen" - mit diesen Titeln überschrieb Schäfer seine Predigt, in der er den Bogen schlug von der Erfahrung des Leids bis hin zu seiner Bewältigung. Beeindruckend waren auch die Tanzeinlagen von Yoshiko Waki und Mack Kubicki: Die beiden Künstler verstanden es zu visualisieren, was in Menschen vorgeht, die leiden müssen. "Wenn ich ihnen zuschaue, bekomme ich noch einmal einen anderen Zugang zu den Wunden der Maria und zu den Wunden, die Männer, Frauen und Kinder aller Zeiten tragen", kommentierte Schäfer die kurzen aber eindrucksvollen Darbietungen.

Nach dem Ende der Übertragung feierte der größte Teil der Besucher noch das Abendmahl: Fernsehgottesdienste werden nämlich grundsätzlich ohne das Sakrament gesendet.

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