Skulptur "Schwingende" am Alten Zoll Kunst, Denkmal, Mahnung

BONN · Bei guter Sicht ist das Siebengebirge zum Greifen nahe, der Ostflügel des Kurfürstlichen Schlosses und der Hofgarten begrenzen den Alten Zoll an der gegenüberliegenden Seite.

 Die "Schwingende" ist eins der zentralen Kunstwerke im Skulpturenpark Alter Zoll

Die "Schwingende" ist eins der zentralen Kunstwerke im Skulpturenpark Alter Zoll

Foto: Barbara Frommann

Von der ehemaligen Bastion der Stadtbefestigung aus hat man nicht nur einen herrlichen Blick über den Rhein und auf die ehemalige Residenz, im Stadtgarten stehen auch einige bedeutende Statuen und Plastiken. "Durch die ,Schwingende' von Lajos Barta hat sich der Alte Zoll zu einem beeindruckenden Skulpturenpark entwickelt", konstatierte der Bonner Kunsthistoriker Heijo Klein. In unmittelbarer Nachbarschaft des Parks, im Akademischen Kunstmuseum, stellte er in einem Vortrag beim Bonner Heimat- und Geschichtsverein die Skulpturen des Stadtgartens vor.

Dabei ist die "Schwingende" für ihn nicht nur ein Kunstwerk, sondern aufgrund ihrer Historie auch Denkmal und Mahnung zugleich. Denn mit dieser Arbeit erinnert der Künstler an den Ungarn-Aufstand von 1956. "Lajos Barta schuf die Skulptur genau ein Jahr nach dem niedergeschlagenen Aufstand, als die Säuberungen des stalinistischen Systems in Budapest in vollem Gang waren, Ministerpräsident Imre Nagy verhaftet und später hingerichtet wurde", führte Klein aus. Auch Barta fürchtete damals um sein Leben. Im Freundeskreis hatte er bereits erlebt, das Wegbegleiter abgeführt worden waren. Er reiste nach Deutschland aus und ließ sich zunächst in Rolandseck, später dann in Köln nieder. Aus dieser Erfahrung heraus schuf er ein Modell mit dem Titel "Angst".

Der damalige Direktor des Bonner Kunstmuseums, Eberhard Marx, hatte nach einer Ausstellung in den Räumen in der Rathausgasse den Ankauf dieser Skulptur forciert. 1971 wurde die Barta-Plastik vergrößert, in Bronze gegossen und schließlich im Stadtgarten aufgestellt. Schnell befürchtete man jedoch in der damaligen Bundeshauptstadt, dass eine Arbeit mit dem Titel "Angst", die zudem an den Ungarnaufstand erinnert, zu außenpolitischen Problemen führen könnte. Deshalb wurde auf Vorschlag von Marx der unverfängliche Titel "Schwingende" gewählt.

Um die Erinnerungen an die Ereignisse von 1956 wachzuhalten, führte der letzte Botschafter Ungarns in Bonn, Attila Király, ein, dass jedes Jahr am 23. Oktober ein Kranz an dem Denkmal im Stadtgarten niedergelegt wurde. Heute erinnert die Deutsch-Ungarische Gesellschaft mit einer Feier im Alten Rathaus alljährlich an die Ereignisse aus den 1950er Jahren. "So ist Bartas Kunstwerk ebenso ein beachtliches Beispiel der Moderne, wie sie ein ganz spezifisches und persönliches Denkmal an ein politisches Geschehen im Kalten Krieg ist", führte Heijo Klein weiter aus.

Bartas Denkmal an den Ungarnaufstand steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Denkmal für Heinrich Heine von Ulrich Rückriem, das an den Zugang zu einer Grabkammer erinnert.

"Damit stehen dort auch formal zwei unterschiedliche Konzepte von Skulpturen. Kunstgeschichtlich lassen sich beide mit anderen abstrakten Denkmälern in Verbindung bringen. Einerseits mit dem geometrischen, aus Würfel und Kugel bestehenden ,Denkmal der Agathe Tyche', das Goethe entwarf, und andererseits zu dem dynamisch aufgefassten ,Monument für Ernst Bloch' von Max Bill in Ludwigshafen", beendete Professor Klein schließlich seine Ausführungen.

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