Personalprobleme bei der Bonner Polizei Kommissariatsleiter schlägt Alarm

BONN · Die Personalprobleme des Polizeipräsidiums scheinen sich zu verschärfen. Klaus Götten, Leiter des für Internetkriminalität zuständigen Kriminalkommissariats 24, hat die Behördenleitung vor wenigen Tagen schriftlich aufgefordert, für seine rund 20 Mitarbeiter eine Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz zu erstellen.

 Blick in die Leitstelle des Polizeipräsidiums: Was dort als Notruf einläuft, landet häufig als Verfahren bei der Kriminalpolizei.

Blick in die Leitstelle des Polizeipräsidiums: Was dort als Notruf einläuft, landet häufig als Verfahren bei der Kriminalpolizei.

Foto: Axel Vogel

Das schreibt seit 2013 vor, bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen die psychische Belastung einzubeziehen - das gilt auch in Polizeibehörden.

Damit wird ein formales Verfahren ausgelöst, an dem der Personalrat und der Arbeitsschutzbeauftragte der Behörde zu beteiligen sind. "Wir suchen gemeinsam nach einer Lösung für das Kommissariat 24", erklärte Polizeisprecher Robert Scholten gestern. "Wir wissen, dass die Arbeitsbelastung der Kollegen hoch ist - und das nicht nur bei der Kriminalpolizei." Geprüft werde allerdings noch, ob das Arbeitsschutzgesetz in diesem Fall wirklich greife. Falls ja, würden alle Mitarbeiter des Kommissariats im Zuge des formalen Verfahrens befragt.

Nach Informationen aus Gewerkschaftskreisen sollen weitere Kommissariate bei der Behördenleitung Alarm geschlagen haben, darunter offenbar die Kommissariate 36 (Bornheimer Straße, zuständig für lokale Kleinkriminalität) und 37 (Bad Godesberg, lokale Kleinkriminalität und Einbrüche) - sowie die Beamten des Staatsschutzes, die unter anderem in der Islamisten-Szene ermitteln und potenzielle "Gefährder" überwachen. "Aus diesen Bereichen liegen keine Überlastungsanzeigen vor", sagte Scholten. Es gebe aber einen "ständigen Dialog" in der Behörde, um die Kräfteverteilung der Lage anzupassen. Nach GA-Informationen wird der rund 30 Mitarbeiter starke Staatsschutz vor dem Hintergrund der Ereignisse in Frankreich und Belgien aus anderen Kommissariaten verstärkt.

Kommissariatsleiter Götten begründet seinen Hilferuf in einem internen Schreiben mit wachsenden Fallzahlen und Personalmangel. 2012 waren es in seinem Kommissariat 9294 Vorgänge, von denen 1107 unerledigt blieben. Im vorigen Jahr konnten von 9562 Verfahren 1794 nicht abgeschlossen werden. Götten schreibt von "Überlastungssymptomen", die auch den Jahresurlaub seiner Mitarbeiter überschatten: Am letzten Arbeitstag würden sich bis zu 90 offene Vorgänge auf dem jeweiligen Schreibtisch stapeln; bis zur Rückkehr kämen noch weitere hinzu.

Die Bonner Polizei, zuständig auch für Königswinter, Bad Honnef und den linksrheinischen Kreis, hat rund 1200 Vollzugsbeamte. Der relativ hohe Altersschnitt von 50 Jahren verursacht einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand; rund 150 Beamte sind zudem nur eingeschränkt einsatzfähig. Statt der erhofften 50 hat das Land NRW im vorigen Herbst nur 40 Polizisten als Nachersatz für ausscheidende Beamte bewilligt. "Das Innenministerium muss endlich reagieren", forderte Hermann-Josef Borjans vom Bezirksverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter gestern. Das unterstrich auch Udo Schott, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bonn: "Die Arbeitsbedingungen sind seit Jahren schwierig und zum Teil dramatisch."

Einsatzreaktionszeiten: Polizei weist anonymen Manipulationsvorwurf zurück

Ein anonymer Briefeschreiber wirft der Bonner Polizei vor, die Statistik ihrer Einsatzreaktionszeiten zu manipulieren. Dabei wird gemessen, wie schnell der erste Streifenwagen nach einer Alarmierung eintrifft. In bestimmten Fällen habe die Leitstelle fiktive Streifenwagen mit einer Rekordzeit von "unter zwei Minuten" ins Computersystem eingebucht.

Polizeisprecherin Daniela Lindemann ordnet den Vorwurf wie folgt ein: Hintergrund sei, dass die Polizei nur zur Einbruchsbekämpfung zwei "Tatortwagen" mit Beamten vorhalte, die auf Spurenaufnahme spezialisiert seien. Diese würden losgeschickt, wenn kein Täter mehr vor Ort vermutet werde. Seien beide Wagen anderweitig eingesetzt, würden die Geschädigten angerufen und eine spätere Ankunftszeit vereinbart.

Das geschehe immer, wenn mit einer Wartezeit von mehr als 15 Minuten zu rechnen sei. Gleichzeitig werde dann im System ein "Reservewagen in den Einsatz genommen", um die Messung der Einsatzreaktionszeit zu stoppen. Tatsächlich fahren aber nur die Spezialisten zum Tatort. Es gehe um Einzelfälle, die in der Statistik dringlicher Einsätze keine Rolle spielen, versichert Lindemann.

In der Kategorie "Täter vor Ort" hat sich die Polizei nach eigenen Angaben von 2012 bis 2014 von durchschnittlich 6:36 auf 5:47 Minuten verbessert, bei Unfällen mit Verletzten von 9:45 auf 9:16 Minuten. Betrachte man alle Alarmierungen, etwa auch Ruhestörungen, sei es eine Verbesserung von 15:30 auf 14:30 Minuten gewesen. In diese Gesamtkategorie fallen auch die Einbrüche, bei denen die fiktiven "Reservewagen" eingebucht werden.

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