Lukas Radbruch in der Kreuzkirche Klares Nein zur aktiven Sterbehilfe

BONN · Passive oder aktive Sterbehilfe beschäftigt nicht nur die Politik, die in diesem Jahr um eine gesetzliche Regelung ohne Fraktionszwang ringt, sondern auch viele Kranke und deren Angehörige, die mit unerträglichen Schmerzen zu kämpfen haben und in einer solchen Situation den Tod herbeisehnen.

Kein Wunder, dass das Thema "Gratwanderung - Medizin als Hilfe beim Sterben?" in der von Pfarrerin Wibke Janssen und Pfarrer Joachim Gerhardt in der Kreuzkirche moderierten Vortragsreihe "Grips & Geist" der Evangelischen Kirche Bonn großes Interesse fand. Nicht zuletzt wegen des Referenten Professor Lukas Radbruch, seit 2014 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Radbruch zählt zu den bedeutendsten deutschen Schmerzforschern. Er ist Direktor der Klinik für Palliativmedizin der Uni Bonn und zugleich Leiter des Zentrums für Palliativmedizin am Malteser-Krankenhaus Bonn-Rhein-Sieg. Keinen Zweifel lässt er bei der Frage nach einer aktiven Sterbehilfe aufkommen: Er lehnt sie ab. Zugleich verweist er auf die Nachbarländer Niederlande, Belgien oder Schweiz, in denen diese erlaubt ist und zu immer neuen Gesetzen mit immer mehr Ausnahmen führt.

Er berichtet von einem Fall, der keineswegs eine Ausnahme sei: Angehörige bringen ihre schwerstkranke Oma in ein Krankenhaus mit dem Hinweis, dass sie in zwei Wochen in Urlaub fahren wollen und bis dahin der Fall gelöst sein sollte. Da läuft den Zuhörern ein kalter Schauer über den Rücken.

Noch immer herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung große Unkenntnis über die moderne Palliativmedizin, die den meisten betroffenen Menschen eine schmerzfreie beziehungsweise schmerzerträgliche Zeit bis zum Tod ermöglicht. Unerträgliche Schmerzen müssen heute nicht mehr sein: "90 Prozent der Schmerzen bekommen wir mit der ersten Therapie in den Griff, bei den anderen zehn Prozent klappt das auch", sagt Radbruch.

Nach einer intensiven Beratung könne der Patient aber auch sagen, dass er eine solche Therapie nicht wolle. Dann werde sie abgestellt. Die passive Sterbehilfe biete ebenfalls viele Möglichkeiten durch Unterlassen letztlich vergeblicher medizinischer Maßnahmen zu einem friedlichen Sterben.

In den vergangenen 20 Jahren sei die Medizin schon weit fortgeschritten, "aber es gibt noch Lücken". Bislang sei die Schmerztherapie weithin auf Krebspatienten konzentriert, aber auch andere schwer kranke Menschen wie Herz- oder Demenzpatienten brauchten Hilfe. Bessere Möglichkeiten der Pflege für Schwerstkranke mit unerträglichen Schmerzen müssen aus Radbruchs Sicht in Pflegeheimen - in Verbindung mit Hospizen - geschaffen werden.

Und Palliativmedizin, "die gut gemacht ist, muss nicht teurer sein als andere Behandlungen". Aber in der letzten Phase des mit schweren Schmerzen verbundenen Lebens kommt es nicht nur auf die Ärzte an, sondern auf eine gute psychosoziale Betreuung in einem Hospiz oder durch ausgebildete ehrenamtliche Hospizhelfer, die die Sterbenden und ihre Angehörigen sowohl im Hospiz als auch zu Hause begleiten.

Selbstverständlich ist auch die medizinische Forschung noch nicht am Ende. Welches Medikament wirkt besser als das andere, gehört zu den Fragen, aber auch wie eine Unterversorgung mit sogenannten Opioiden, also Stoffen zur Schmerzunterdrückung bei Patienten, verhindert werden kann.

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