Gefährliche Körperverletzung Jurastudent konnte wegen Attacke kein Examen machen

BONN · In der Nacht auf den 10. September 2012 wurde die Lebensplanung eines heute 27-jährigen Jurastudenten mit einem Schlag über den Haufen geworfen.

Es war die Zeit von Pützchens Markt, und drei junge Schausteller, die in jener Nacht dieselbe Bar in der City besuchten wie der Student und seine Freunde, sollen ihn später auf der Straße so misshandelt und verletzt haben, dass der 27-Jährige sein Examen noch nicht machen konnte. Seit Anfang Juli standen die drei deshalb vor der Bonner Jugendkammer und bestritten die Tat, um am achten Prozesstag mit einem erstaunlichen Angebot aufzuwarten: Sie würden gemeinsam 30.000 Euro an den Studenten zahlen, wenn das Verfahren eingestellt werde.

Wie das überraschte Gericht erfuhr, hatten sich die Anwälte der Angeklagten und des Opfers hinter den Kulissen darauf verständigt. Und da die Beweislage, wie häufig bei solchen Gewalttaten mit mehreren Beteiligten, sehr schwierig und unübersichtlich ist und kein Zeuge, selbst das Opfer, sich mehr erinnern konnte, waren Staatsanwaltschaft und Strafkammer einverstanden: Das Verfahren wurde eingestellt, die heute 24 und 20 Jahre alten Angeklagten zahlen das Geld nun bis November in zwei Raten an den Studenten. Und Kammervorsitzender Volker Kunkel stellte fest: "Für das Opfer ist das die beste Lösung."

Der 27-Jährige hatte zuvor im Zeugenstand geschildert, wie fröhlich er damals mit Freunden in das Lokal gezogen war, um die Abgabe seiner letzten Semesterarbeit vor dem Examen zu feiern. Bereits im Lokal hätten die Schausteller ihn und seine Freunde angepöbelt und eine der Freundinnen angemacht. Und als sie dann das Lokal verlassen hätten, sei es plötzlich passiert: Er habe nur einen Schatten auf sich zufliegen sehen, da habe er auch schon einen Schlag ins Gesicht gespürt. Als er auf dem Boden lag, sei von zwei Seiten auf ihn eingetreten worden. Er verlor das Bewusstsein - und wachte auf der Intensivstation wieder auf.

Er hatte einen gefährlichen Milzriss erlitten, sein Jochbein war so gebrochen, dass sein Auge beeinträchtig war. Er musste operiert werden, sah Doppelbilder und hatte solche Druckschmerzen, dass er ein dreiviertel Jahr nicht lernen und kein Examen machen konnte. Noch in diesem Frühjahr habe er den Versuch, seine Examensarbeit zu schreiben, vor Schmerzen abbrechen müssen. Nun hofft er, im Herbst Examen zu machen. "Aber dann werde ich zwei Jahre verloren haben, die mir niemand wiedergeben kann", sagte er.

Die Angeklagten, Sprösslinge großer Schaustellerfamilien, aber haben Glück. Sie waren zunächst vor dem Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, bis die Schöffenrichterin nach der Aussage des Notarztes, der auf die Lebensgefahr für das Opfer hingewiesen hatte, den Fall als mögliches versuchtes Totschlagsdelikt ans Landgericht verwies. Das aber sah die Jugendkammer am Ende nicht und gab einen entsprechenden Hinweis. Die Verfahrenseinstellung gegen die Geldzahlung hindern das Opfer übrigens nicht daran, bei weiteren Folgeschäden auch künftig zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

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